Alternate Arcaria

"Dann nehm ich doch lieber die Großen - aus pflanzlichen Produkten, wenn du verstehst.", grinste ich und sendete etwas unfreiwillig einen Schwall Aura in die Umgebung aus, als ich mir vorstellte Pflanzen-Magie zu wirken. Es war nur für einen kurzen Augenblick, dennoch hätte ich schwören können, das Daniel darauf reagiert hatte. Ich schüttelte den Kopf, verwarf den Gedanken fürs Erste komplett. "Eß dein Fleisch, sonst wirds kalt. Und leg dich danach hin, ich übernehm die erste Wache.", seufzte ich etwas vor mich hin und lehnte mich gelassen an die Felswand, die Arme verschränkt, um mich selbst zu wärmen. Das Feuer war zwar ok, aber die Decke konnten wir uns schlecht teilen, wenn eine Person Wache halten musste. Neuer Eintrag in meine Einkaufsliste: Bücher. Vermutlich würde es hier nachts stinklangweilig werden und solange Captain Miesepeter hier über kaum ein Thema reden wollte, blieb nichts anderes als in die Sterne zu starren - hoffentlich würde ich nicht einfach einpennen.

Völlig unerwartet durchfuhr mich ein Schauer, etwas dass ich nicht einordnen konnte und vom dem ich mir nach außen auch nicht viel anmerken ließ. Mal davon abgesehen dass für einen kurzen Moment ein silbriger Schimmer um mich lag. Gegessen hatte ich auch schon, warf die Knochen nur ins Feuer da wir sie eh nicht gebrauchen konnten. Und dann setzte ich mich zu ihr und zog die Decke um uns beide. „Schlaf lieber – müde kommen wir nur zu langsam voran. Und wenn irgendwas durch die Barriere kommt merken wir das eh zu spät.“ Ich hoffte einfach dass es nicht passieren würde. Für meinen Teil war ich müde genug sofort einzuschlafen.

Ohne Widerstand nahm ich die Decke an. "Dann hoffen wir wohl, das es nicht dazu kommt.", murmelte ich und schloss die Augen. Die Wache hätte ich wohl ohnehin nicht mehr durchgehalten. Die erste Hälfte verlief relativ ruhig, ohne Ereignisse oder unliebsame Besucher. Doch irgendwann mitten in der Nacht setzten die Alpträume ein, verschleierte Schatten in meinem Geist. Schweißgebadet und mit fiebriger Temperatur wandte ich mich im Schlaf - als würde ich gegen etwas ankämpfen. Ich wusste nicht ob ich Daniel dabei versehendlich weckte, doch nach etlichen Minuten wurde ich endlich ruhiger und schlief weiter.

Erst am nächsten Morgen wachte ich stark erschöpft von der Nacht auf und atmete tief durch. Dieser Schatten ... er war so real gewesen, fast als hätte etwas versucht Kontrolle über mich zu erlangen. Mein Blick schweifte im Unterholz, doch niemand war zu sehen. Es war noch ein gutes Stück dunkel weshalb ich nochmals die Augen schloss und etwas verschnaufte, während eine Hand zur Stirn wanderte. Sie war noch warm, wenn auch nicht mehr fiebrig heiß. Hoffentlich würden wir heute zum See kommen, ein Bad käme mir ziemlich gelegen.

Als ein recht leichter Schläfer vertraute ich darauf aufzuwachen sollte irgendwas uns zu nahe kommen und Geräusche machen. Ein paar Jahre in dauernder Sorge auf der Straße reichten dafür. Dementsprechend merkte ich auch Lunas Alpträume, im Halbschlaf reagierte ich aber kaum mehr als mich gegen sie zu lehnen und die Decke ein Stück weiter um uns zu ziehen. Bis zum Morgen hatte ich mich zwar ein ganzes Stück verrutscht, lag mehr zusammengerollt neben ihr, größtenteils ohne Decke, aber das war typisch für mich. Ich schlief trotzdem noch, holte mir was bisschen Energie ich noch bekommen konnte. Nach dem Gewaltmarsch gestern brauchte ich das auch immer noch. Jetzt wo es hell war mehr im Dämmerschlaf, doch ein paar Momente Ruhe waren so selten.

Möglichst leise, um Daniel nicht zu wecken, stand ich auf und legte ihm die Decke über den Körper. Es fiel mir schwer richtig auf den Beinen zu stehen, die Füße schmerzten vom gestrigen Marsch und die Nacht lag mir in den Knochen. Dennoch kämpfte ich mich vorran, was mir nach einigem hin und her auch recht gut gelang. Das Feuer war übernacht erloschen, auch wenn immer noch ein leichter Rauchfaden in die Luft stieg. Um nicht nochmals Magie zu verwenden, nahm ich aus Daniels Rucksack zwei Rationen und rüttelte dann sanft an Daniels Schulter. "Hey Schlafmütze, Frühstück ist fertig. Wir sollten langsam los, damit wir heute noch diesen See erreichen." Immerhin hatten wir immer noch kein Wasser und das machte sich zumindest bei mir langsam bemerkbar. Ich reichte ihm eine Ration, setzte mich neben ihn und aß mein eigenes Stück Brot zusammen mit etwas von dem Käse.

Leicht regte ich mich als die Decke über mich gelegt wurde, dämmerte dann aber doch wieder so stark weg dass ich regelrecht aufschreckte als sie mich berührte, die Reaktion mehr als nur Überbleibsel von Folter. Etwas von vorher, dass tiefer lag. Nach außen hin fasste ich mich zwar schnell wieder, doch mein Herz schlug noch eine ganze Weile heftiger als nötig. Ehe wir aufbrachen hatte sich das aber wieder, aß ich nur eher mechanisch, gedanklich bereits dabei unseren Weg zu planen. Wollte sie nicht enttäuschen und falls wir es nicht bis zum Abend schafften würde ich eher versuchen nochmal zu springen – entweder zum See oder direkt in die Stadt. Ich hatte sie aus der Hand der Dämonen gerettet und fühlte mich verantwortlich es nicht schlimmer zu machen, legte zwar einen flotten Schritt vor, achtete aber darauf sie immer im Blick zu behalten. Und fing endlich an zu reden, Smalltalk. „Wo kommst du eigentlich her?“

Ich hatte großen Respekt davor, das er auch am zweiten Tag immer noch einen Marathon hinlegte und dabei kaum erschöpft wirkte. Waren wohl nicht nur Worte gewesen. Ich für meinen Teil hatte Probleme Schritt zu halten, die Knochen Schmerzten und irgendwann begann sich die Umgebung zu drehen. Erst als Daniel mit einer Frage anfing, konnte ich etwas langsamer machen und verschnaufen. "Frankreich...Orléans wenn man es genau nimmt.", keuchte ich etwas und stemte die Hände in die Seiten. "Wir sind weniger bekannt für unsere schnellen Läufer ... da liegt uns mehr Rad fahren oder Fechten.", lachte ich fast mehr gespielt und seufzte dann. "Und du? Daniel hört sich Amerikanisch an ... zumindest mit der Aussprache.", schätzte ich, weniger aus dem Wissen über Namen, sondern mehr einer Sci-Fi Serie folgend, die ich gerne an einigen Abenden schaute. Mich störte es auch gar nicht mehr, das er fließend französisch sprach - das Erste was ich in dieser Welt gelernt hatte war, dass die Sprache wohl überall vereinheitlicht wurde, weiß Gott wieso.

Ein Stück weit erschöpfte mich das ganze natürlich auch, aber ich war daran gewöhnt tagelang zu Fuß weite Strecken zurück zu legen, hatte eine bessere Kondition und überging die kleineren Beschwerden meines Körpers einfach. Solang ich konstant in Bewegung blieb waren Muskelkater und alles auch weniger ein Problem. Das sie aus Frankreich war und ich sie trotzdem verstand verwunderte mich auch schon länger nicht mehr, hatte ich den Lernprozess ebenfalls bereits hinter mir. „Es geht weniger um Schnelligkeit als mehr Ausdauer. Das braucht man in jedem Sport.“ Und nicht nur da. „Aufgewachsen in den USA, ja – aber ethnisch gesehen Mongole.“ Nicht mal irgendein Misch, sondern tatsächlich, auch wenn das mit den hellen Haaren und blauen Augen unmöglich schien, dass asiatische nur in meinen leicht geschlitzten Augen und dem natürlich dunkleren Hautton. Wo es sich zeigte war in dem Gefühl von Freiheit sobald ich draußen war, der Selbstverständlichkeit mit der ich reiste und in der Natur lebte.

"Bei dir zeiht auch keine Ausrede, was?", stellte ich seufzend fest. Dabei war ich eigentlich gar nicht so schlecht ... nun zumindest im Vergleich zu vor der Gefangenschaft. Zwar hatte ich in der richtigen Welt immer mal wieder mich sportlich betätigt, aber nie Regelmäßig und mich auch nie wirklich körperlich herausgefordert. Dementsprechend war es schon eine Leistung, das meine Ausdauer für einen ganzen Tag gereicht hatte. "Mongole? Dann war "irgendwie asiatisch" wohl kein Scherz...", überlegte ich. Spitzname "Schlitzauge" war nun berechtigter denn je, aber über diese Barrikade waren wir wohl schon etwas länger raus. Die kurze Ruhepause tat jedenfalls gut und nach dieser kurzen Zeit normalisierte sich auch die Umgebung wieder etwas, weshalb ich in einem normalen Tempo weiterwanderte. "Nya meine Herkunft ist auch etwas kompliziert. Ich bin zwar französischer Abstammung, mein Geburtsort ist allerdings in Japan, ohne das ich Japanerin bin. Du musst wissen meine Eltern reisen sehr viel...", bemerkte ich und wurde ein Tick leiser: "Selbst als meine Mum hochschwanger war." Ich zuckte mit den Schultern. "Mich würds nicht wundern wenn sie noch gar nicht mitbekommen haben das ich weg bin - ist ja erst gut ein Monat her."

Leicht zuckte ich mit den Schultern, war es doch mehr eine Tatsache als Ausrede. Zu gern würde ich uns den Weg ersparen doch der Preis für meine Fähigkeit war schlicht zu hoch. „Kein Scherz“ stimmte ich mit einem Lächeln zu. Meine Herkunft war etwas wofür ich mich noch nie geschämt hatte, würde damit auch nicht anfangen. Bloß weil ich dort nicht aufgewachsen war steckte das Nomadentum dennoch in mir. Bei ihrem Tonfall wurde mir schon klar dass da eine weniger schöne Geschichte dahinter steckte, legte deshalb kurz eine Hand auf ihre Schulter. „Mich wird keiner vermissen, egal wie lang...“ gestand ich ihr leise. Wollte nicht ins Detail gehen, aber wir kamen da wohl vom selben Punkt.

"Tja, wie der große Steinkopf schon sagte, eine neue Zukunft erwartet uns.", erwiderte ich Schulterzuckend. Das wir in dieser Welt gelandet waren, war kein Zufall. Unsere Vergangenheit würden wir früher oder später einfach hinter uns lassen - da war ich mir recht sicher. "Aber genug vom Trübsalblasen, wir wollen heute doch noch ankommen, nicht?", grinste ich und übernahm kurzerhand die Führung, durchaus bewusst, das Daniel mich in Nullzeit überholt haben würde.

Wir wanderten bis zum frühen Nachmittag durch, bemerkend das die Dehydration langsam zum Problem wurde. Dennoch machten wir keinen Abstecher, um eine alternative Wasserquelle zu finden. Wir stiegen schon eine ganze Weile einen kaum steilen Hügel empor, als mir plötzlich etwas in die Nase kroch. Es war ein beißender Gestank, Tod, ein Teil Verwesung und Blut. Ich hielt mir rasch die Nase zu und winkte Daniel zu. "Warte, wir sollten vorsichtig weiter gehen. Da kommt ein bestialischer Geruch von hinter dem Hügel...", informierte ich ihn, sodass wir schräg den Hügel hoch gehen und hinter einer Gebüschreihe vor ungewünschten Blicken geschützt waren.

Was wir hinter dem Hügel sahen verschlug mir die Sprache. Wir waren tatsächlich am See angekommen, doch das war weniger der Grund meines Staunens. Direkt unter uns befand sich ein kleines Dorf, mehr eine Ansammlung an Gebäuden, verbunden mit einem befestigten Pfad. Die Steine waren blutbeschmiert, dutzende Leichen lagen einfach verstreut und übel zugerichtet im ganzen Dorf. Der Gestank war einfach unaushaltbar, weshalb ich mir nur kräftiger die Nase zu hielt. Die Siedlung wurde von einer Palisaden Wand umgeben, die an diversen Stellen gebrochen und in Einzelteile davor oder dahinter verteilt war. Bewaffnete Gestalten, soweit ich erkennen konnte waren es Menschen, trieben weitere eher unbewaffnete Personen auf einen Dorfplatz, mittig in der Siedlung gelegen. Es brauchte nicht viel Intellekt um zu wissen was hier abging - die Siedlung wurde überfallen und jetzt anscheinend geplündert. Unter den Überlebenen gab es kaum junge Männer, eher ein Haufen Frauen, ältere Menschen und einige Kinder, die sich ängstlich zwischen den Erwachsenen versteckten.

"Sieht nicht gut aus. Wir sollten lieber einen Umweg auf die andere Seite des See's nehmen.", flüsterte ich Daniel zu. Nicht das mir ihr Schicksal egal wäre, doch da waren mindestens zwei Dutzend bewaffnete Banditen und wir hatten nur ein Messer und etwas mehr-schlecht-als-recht Magie.

Das sie nicht weiter auf unser beider Vorgeschichte einging war mir ganz recht, tat ich mich schwer überhaupt etwas davon preiszugeben. Und normalerweise war ich auch nicht gut darin andere zu trösten, erwiderte ihr Grinsen mit einem Lächeln und schloss flink auf, hielt dann aber das Tempo an sie angepasst. Mir machte es nichts aus, aber wenn sie zu müde wurde und ich sie wieder tragen musste kämen wir noch langsamer voran. Ganz davon abgesehen dass mir auch die Energie dafür fehlte.
Ihre feinen Instinkte hatte ich nicht, würde eine Warnung aber nie in den Wind schlagen, nickte einfach und folgte ihr vorsichtig, geduckt und nahezu lautlos – wieder mal beweisend dass ich doch mehr konnte als ich mir selber zutraute. Erst weiter oben, im Wind, wurde der Geruch auch mir deutlich. Und auch wenn ich schnell realisierte was los war, mir der Gefahr bewusst war, wäre ich am liebsten hinunter geeilt um... irgendwas zu tun. Hände in ein Büschel Gras gekrallt und die Lippen zusammen gepresst wusste ich schon dass wir am besten einen sehr weiten Umweg machen sollten... aber es fühlte sich trotzdem falsch an. Zögerte ich lange Momente, vor allem auf die Kinder blickend, ehe ich nickte und mich abwendete. Das würde mich sicher noch eine Weile begleiten – und wir mussten hoffen einen sicheren Ort am See für ein Nachtlager zu finden, nicht selber von dieser Truppe überrascht zu werden.

In Daniels Augen erkannte ich, was ich selbst dachte. Aber uns blieb keine andere Wahl. Es war ein weiterer Grund schnell in die Landeshauptstadt zugelangen, zur Magierakademie. Wenn ich erstmal Magie gemeistert hatte, wäre es sicher der entscheidene taktische Vorteil in solchen Situationen. So konnten wir bloß zusehen und weiterziehen. Wir schlichen noch eine ganze Weile durch das Unterholz, bis wir uns sicher sein konnten, dass niemand uns mehr wahrnehmen konnten aus Richtung der Siedlung. "Wie weit ist Eriston von hier entfernt? Vielleicht können wir ... nein ... wenn man sich die Situation so ansieht, werden die wohl kaum eine Truppe hier rausschicken.", seufzte ich, den letzten Teil mehr zu mir selbst redend. "Selbst mit deiner Fähigkeit wird es kaum möglich sein, alle Dorfbewohner rauszubringen. Wenn ich wenigstens mehr Agenten-Filme gesehen hätte..." Dann wäre es sicher einfach sich nachts reinzuschleichen, die Wachen auszuschalten und die Dorfbewohner zu befreien, bevor die überhaupt irgendwas merkten. Aber weder konnte ich mir vorstellen wie das gelingen sollte, noch wie ein "ausschalten" aussah ohne das ich vorher bemerkt wurde.

Anders als Luna war ich nicht der Typ mit mir selbst zu reden, fraß es eher in mich hinein und wurde mit den Konsequenzen irgendwie anders fertig. Meistens durch mehr Aktivität, alles was mich ablenken würde und zu tiefes Denken verhinderte. Dumm war ich keineswegs, hatte nur Tendenz mich in den düsteren Ecken zu verlieren und wusste wie ungesund das war. Aber ich würde sie auch nicht in theoretische Überlegungen versinken lassen, beantwortete all ihre rhetorischen Fragen. „Zu weit. Keine Truppe würde es rechtzeitig zurück schaffen. Und ich könnte nicht mal mich selbst rausbringen. Die Filme hätten dir auch nicht geholfen irgendwas umzusetzen, nichts hätte das. Selbst mit all meinen Sachen und einer trainierten Gruppe hätte ich es nicht gewagt.“ Das letzte war mir dann eher rausgerutscht, ein weiterer Schnipsel meiner Vergangenheit und das brachte mich dann dazu wieder still zu werden. Ich wollte keine Fragen provozieren, zurück lassen was einst gewesen war und mir etwas besseres erarbeiten. Von null anzufangen war nur nicht so einfach.

Sein letzter Satz machte mich durchaus stutzig, doch mehr als einen verwirrten Blick und einem Haufen Fragen in meinem Kopf entwickelte sich daraus nicht. Ich hatte meine Lektion gelernt, dass das Ansprechen seiner Vergangenheit kein guter Schritt war. Außerdem hatte ich ihm den Neuanfang selbst angeboten - wer wäre ich also es nun mit Fragen zu verhindern? Ich nickte also, zustimmend, das wir nichts tun konnten.

Es dauerte eine ganze Weile bis wir an der gegenüber liegenden Seite des Sees ankamen, es wurde bereits langsam dunkler und die Sonne tauchte in ein sanftes Orange unter. "Wir sollten auf ein Feuer verzichten, nur um sicher zu gehen.", bemerkte ich leise, immer noch etwas bedäppert von der ganzen Situation.

Erleichtert das keine Fragen kamen führte ich sie um den See, bedacht darauf uns genug im Unterholz zu halten dass es keiner übers Wasser sehen durfte. So richtig ein Schlafplatz fand sich noch nicht, aber wir waren auch mehr auf Entfernung bedacht als Lager, wurde es zunehmend dunkler. Nacht bedeutete zwar andere Gefahren, aber dunkel war auch sicher. Ich nickte, legte meine wenigen Sachen ab und nahm nicht mal das Messer mit. „Trink was und bau die Schutzdingers auf – ich schau ob ich noch fix was zu essen auftreiben kann.“ Mehr als Brot und Käse jedenfalls. Damit verschwand ich in den Wald, schnell um das letzte Licht zu nutzen. Jagen fiel ohne Feuer weg, also schaute ich mich nur aufmerksam um und kam mit ein paar Pilzen, Esskastanien und Beeren zurück. Nicht viel aber besser als nichts. Gegen die Kälte setzte ich mich dann auch dicht neben Luna, konnten wir uns so die Decke teilen. „Denk ne Wache lohnt sich ohne Licht auch nicht...“ bemerkte ich, dürften Mond und Sterne nicht reichen um irgendwelche Angreifer zu sehen.

Zustimmend nickte ich, begab mich zum Wasser und tauchte den Kopf nahezu ein. Es tat gut endlich mal wieder etwas frisches Wasser im Gesicht zuspüren, auch wenn ich es dank der Situation nicht wagen konnte komplett ins Wasser zu steigen. Außerdem wurde es dunkel. Glücklicherweise hatte ich die bereits vorgeschnitzten Äste vom Vorabend mitgenommen, weshalb es relativ leicht war, den Schutzkreis aufzubauen. Als Daniel zurückkam, hatte ich bereits etwas von den Vorräten vorbereitet, was sich als gute Ergänzung zu den Pilzen und Beeren herausstellte. "Die müssten schon riesen Glück haben, hier über uns zu stolpern.", murmelte ich und vergrub mich unter die Decke, genügend Abstand haltend um Daniel nicht zu bedrängen. Ohne Feuer wurde es ziemlich kalt und ich blieb noch eine ganze Weile wach, ohne wirklich schlafen zu können. Erst als der Mond ziemlich hoch stand, schlummerte ich ein. Die Nacht verlief etwas ruhiger als die Letzte, dennoch suchte mich wieder dieser Alptraum heim, erst nach zwei Stunden verschwand das Fieber und ich glitt vollends weg.

Am nächsten Morgen weckte mich der beißende Geruch von Rauch. Panisch warf ich die Decke beiseite, kaum bemerkend das ich in der Nacht eng an Daniel gelegen haben musste. Als ich die Augen aufriss, schwer atmend, realisierten meine Augen - dass das Bild nicht zum Geruch passte. Erst als ich mich etwas umsah, erkannte ich eine dicke Rauchwolke, die aus dem Dorf auf der anderen Seite des Sees aufstieg. Etwas wurde dunkler in meinem Gesicht und ich starrte nur hinüber, die Aura um mich herum bedrohlich flackernd. "Wir sollten verschwinden.", richtete ich mich an Daniel, ohne mich umzudrehen. Ich war mir sicher ihn mit meiner Aktion geweckt zu haben.

Auf mein Glück vertraute ich nicht, war viel zu oft in schwierige Situationen geraten. Doch rein logisch dürften wir hier relative sicher sein. Ich schlief vor Luna ein, nahezu sofort nachdem ich mich hingelegt hatte, ihr die Wahl überlassend wie nah sie sein wollte. So lange wie ich schon auf Wanderschaft war konnte ich nahezu überall schlafen, brauchte es meinem Körper nur sagen. Von ihren Alpträumen bekam ich auch nichts mit – dafür aber von dem Feuer. Als sie aufschreckte war ich längst wach, beobachtete das Schauspiel. War nur liegen geblieben weil wir beide die Wärme und Ruhe brauchen konnten. Rückte nur bei dem Auraflackern weg, unbewusst. Was ihren Vorschlag anging schüttelte ich aber leicht den Kopf. „Das brennt schon eine Weile. Die sind weiter gezogen. Und wir brauchen Wasserbeutel, Vorräte, sonst kommen wir nicht bis Eriston.“ Und das brauchte Zeit. Ein paar Tage. In den Wald hinter und blickend hatte ich nur einen Vorschlag: „Ziehen wir uns zurück vom Ufer und suchen was besseres für ein vorübergehendes Camp.“

Aufmerksam hörte ich ihm zu, schaute mich dabei jedoch sorgfältig um. "Hoffen wir das ein Camp nicht mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht, als es unsere Anwesenheit eh schon tut.", seufzte ich, sah aber ein das er recht hatte. Ohne Vorräte wäre die Reise wieder ein Ratespiel "Aber was den Unterschlupf angeht, kann ich mit Magie aushelfen, das dauert nicht so lang, als wenn wir uns selbst was bauen oder uns darauf verlassen etwas geeignetes zu finden." Zugegeben, ich wäre dann für einige Stunden nicht mehr zu gebrauchen - geschuldet durch die Menge an magischer Energie, die ich gerade mal zum Bruchteil aufbringen konnte. Allerdings hätten wir dann einen trockenen und getarnten Unterschlupf. Auf seine Antwort wartend, ging ich bereits einige Schritte in den Wald hinein, weg vom Ufer. Allein schon, weil ich Angst hatte der Wind könne drehen und den Geruch verkohlter und verwesender Leichen mit sich tragen. Der Wald an sich war relativ dicht, blickgeschützt, doch wenn wir aufpassten würden wir uns nicht verirren. Die einzigen Bedenken, die sich mir in den Kopf schlichen, war die Tatsache das die Banditen vielleicht nach Überlebenden suchen würden und stattdessen uns finden könnten. Doch daran wollte ich noch gar nicht denken.

„Nicht wenn ich es baue.“ entgegnete ich mit einem Lächeln, kannte mich damit schon recht gut aus. „Lass dass mit der Magie mal... am Ende bemerkt das nur irgendwer.“ Gute alte Handarbeit ohne Werkzeug war relativ unauffällig wenn man sie entsprechend tarnte. Würde nicht das erste Mal sein dass ich irgendwo heimlich im Wald kampierte. Für ein paar Tage war das immer in Ordnung. Ich nahm nur die Decke auf und folgte ihr in den Wald, machte mir um Orientierung weniger einen Kopf. Einen guten Instinkt hatte ich da schon immer gehabt und seit ich hier war, diese spezielle Fähigkeit hatte, war das noch besser geworden. Karten waren nicht meins, aber wenn ich im offenem Gelände irgendwo hinwollte kam ich grundsätzlich an. Geduldig und mit einem gewissen Können blickte ich mich um, sammelt bereits brauchbare Stöcke auf. „Schau mal ob sich irgendwo ein Wasserlauf findet in dessen Nähe wir bleiben können. Ansonsten Baum mit mehreren Wurzelsträngen, unterhöhlt wäre optimal“ Luna musste ja nicht nur dabei stehen, konnte ebenso helfen. So schwer war es nicht.

Ein wenig schmollte ich hinsichtlich der verpassten Gelegenheit etwas Magie zu nutzen. Seit ich in diese Welt gezogen wurde, hat mich die Faszination zur Magie kaum mehr losgelassen. Ich musste einfach alles wissen! Jedes kleinste Detail, jede nochso kleine Magieart. Das konnte wohl nur Jahre dauern. Nach einer Weile überließ ich ihm die Führung, beobachtete wie er sich umsah und lauschte seinen Anweisungen. "Kein Problem, hab doch schon längst ein gefunden.", grinste ich ihm zu und deutete grob in eine Richtung, in der es nur sehr schwache, kaum zu sehende Anzeichen einer Wasserquelle gab. Doch kaum waren wir einige Schritte gegangen, konnten wir das leichte Plätschern eines Bachs hören und die Hinweise in der Natur häuften sich. Ich konnte selbst nicht genau erklären, wie ich das Wasser wahrgenommen hatte - doch es war schon vor der Gefangenschaft so gewesen. Ob das wohl an den Syr Genen lag? Nur war es ziemlich zufällig, jedenfalls eine nicht von mir kontrollierte Fähigkeit, sonst hätte ich vermutlich bereits auf dem Weg zum See eine Wasserquelle aufspüren können. "Da scheint es ein paar Vertiefungen zu geben, weiter dem Hügel hoch. Sieht aber nicht gemütlich aus..." Zugegeben ich redete einfach nur vor mich hin, hatte absolut kein Plan vom Outdoor Campen und war deshalb recht froh nicht allein in dieser Situation zu sein. Vielleicht fehlte mir auch einfach die Kreativität in dem Chaos des Waldes einen geeigneten Unterschlupf zu finden, so vertraut er mir auch gefühlstechnisch war. Wenn sich Menschengene mit denen der Syr beißen... - das musste ich bei Gelegenheit für die Nachwelt festhalten.

„Du gibst ne gute Wünschelrute ab“ entgegnete ich mit hochgezogener Braue, dauerte es doch überlicherweise Stunden von Durchkreuzen um etwas annehmbares zu finden. Aber das war gut, konnten wir uns so auf den Unterschlupf konzentrieren. Hinterfragen tat ich es jedenfalls nicht, folgte dem Bach weiter weg vom See, parallel einige Meter dazu. „Vertiefungen sind nicht so gut, da sammelt sich nur Feuchtigkeit drin. Ein Baum wär das beste, gemütlich machen wir dass dann schon. Hauptsache trocken.“ Für nur eine Nacht wäre es mir auch egal gewesen, doch ein paar Tage? Da brauchte es etwas anständiges. Und ich fand auch etwas: ein Baum der wohl einst nahe des Wassers stand, bis sich der Lauf verschob. Dem Baum ging es noch gut, doch darunter befand sich nun eine Aushöhlung zwischen den Wurzeln. „Perfekt“ Ein leichtes Lächeln umspielte meine Lippen, war ich hier ganz in meinem Element. „Wir brauchen Stöcke, besser breite Rindenstücke die schon älter sind. Ein paar Findlinge, aber keine unbewachsenen... und das alte Laub darunter sollte raus, wir müssen die Wände festklopfen und dann neues, trockenes Untermaterial rein. Feuer können wir davor machen, in einem Erdloch, da gibt’s auch weniger Rauch.“

"Gesundheit", erwiderte ich scherzend, gleichzeitig aber wie ein verwundertes Pferd dreinblickend. Der Denkprozess brauchte eine Weile, diese Information zu verarbeitet, weshalb ich erst etwas ratlos die Umgebung inspizierte. Ich begann also damit Stöcke und Äste zusammeln, lediglich darauf achtend, dass sie trocken genug waren. Eine gute viertel Stunde später lag da allerhand Zeug vor seinem ausgesuchten Baum. Holzstöcke, Baumrinde, Steine, alles ein wenig grob sortiert, überließ ihm die Entscheidung was er davon benutzen wollte und was nicht. "Nach Eriston sollten wir uns an Straßen und Gasthäuser halten.", murmelte ich und rieb mir etwas den Kopf. "Was Handwerk angeht, hab ich zwei linke Hände.", gab ich zu und schaute ihm über die Schulter. Immerhin den Willen zu Lernen zeigte ich, wenn gleich ich mir sicher war, dass sowas nie zu meinen Stärken gehören würde.

Das sie eine Weile brauchte war kein Problem. Im Prinzip ersparte ich ihr nur einen langen Lernprozess den ich auch gehabt hatte und die Gefahren die dabei auf dem Weg lagen. Zumindest Material konnte sie auch sammeln, während ich den Dreck darunter rausräumte und die Wände befestigte. „So schwer ist es gar nicht. Prinzipiell schauen wir alle Lücken bis auf einen Eingang Richtung Süden zu schließen, mit den Stöcken und darüber die Erde und Laub das ich hier rausgeräumt habe. Die Felsen sind für größere Lücken und die Rinde mit bewachsener Seite nach außen lässt es natürlicher aussehen. Würde den Winter nicht überstehen, reicht aber für ein paar Tage.“ Kuschelig würde es da unten werden in der Nacht, doch damit kamen wir schon klar. Während der Erklärung hatte ich auch schon angefangen, geschickt die Stöcke einarbeitend, mich wenig um den Dreck kümmernd. Waschen konnte ich mich immer noch. „Die Runen wären im Doppelring wahrscheinlich am besten, einer außen, der andere innen direkt am Baum...“ Wie wir das anstellen sollten war wohl mehr ihr Metier.

Aufmerksam nickte ich, aus bloßer Theorie heraus würde ich das wohl kaum nach machen können, aber wenn ich überleben wollte, sollte ich sowas besser lernen. Wer wusste schon wie lange Daniel bei mir bleiben wollte, sobald wir die Stadt erreichten und ich mich in die Magierakademie einschrieb. "Ich würde sie eher weiter außen anbringen, wenn wir nicht aufpassen könnte das sonst schief gehen. Das magische Feld würde das Material nicht schützen und ein Schlag würde reichen, damit die Barriere zusammenbricht. Überlass das ruhig mir." In magischen Fragen war dann ich eher die angehende Expertin. Zumindest hörte sich das ganz gut an. Während also Daniel weiter am Unterschlupf arbeitete legte ich die runenbestückte Stöcke um das Lager aus - auf maximaler Reichweite - statt sie in die Bäume zu schnitzen. So hatten wir genug Platz und der Schutz müsste immer noch stark genug sein um uns zumindest zu wecken und einige Minuten Zeit zum reagieren zu geben. "Bislang haben wir ja keine Dämonen mehr gesehen. Vielleicht fokusieren sie sich wirklich auf die größeren Städte und Wege.", mutmaßte ich laut genug, das Daniel es hören konnte.