Arcaria 4.2

Goro, der gerade seinen letzten Gewinn in leibliches Wohl umgewandelt hatte, betrat gut gelaunt sein Elternhaus.
Das Anwesen lag mitten in einer kleinen Siedlung, war umringt von Büschen und Bäumen. Das Ganze wirkte fast schon altertümlich.
Mit einem leisen kratzen, schloss sich die alte Tür hinter seinem Rücken.
Als er sicher war, dass niemand auf ihn lauern würde, schlich der Junge in das gemeinschaftliche Schlafzimmer. Erst als er, ohne dass es einer seiner Brüder bemerkt hatte, die Decke über sich gezogen hatte, kamen die Gedanken an den nächsten Morgen.
Oh was würde man ihn wieder für seine unangebrachten Taten schimpfen... Das Leben als Schlitzohr war in dieser ach so gut gebildeten Familie wirklich nicht leicht. Doch darüber wollte er sich erst morgen wieder Gedanken machen.
Der Alkohol und das rhythmische, fast schon gespenstig gleichmäßige, Atmen seiner Verwandten, sorgten für einen tiefen und dunklen Schlaf.

Es kam ihm so vor, als würde er fallen... immer schneller... ins Nichts...


Mit einem Ruck schreckte ich aus meinen Träumen. Im ersten Moment konnte ich harten und kalten Steinboden an meinem Hintern fühlen. Ein Wind blies mir ins Gesicht. Und ohne die Augen zu öffnen war mir klar, dass mich wohl wieder einer, im Schlaf, auf den Berg gebracht hatte.
Meine Brüder waren eben nicht sehr erfinderisch und mein Schlaf viel zu gut. "Meine Fresse, jetzt muss ich echt wieder den ganzen Weg zurück laufen!" Fluchte ich, als meine müden Glieder etwas Dehnung erfuhren. Erst als meine Augen die Umgebung erblickten, wurde mir der Ernst der Lage bewusst. Das war nicht mein Berg und auch nicht die Brücke der Bahnstation... hier war... nichts.
Geschockt sprang ich auf und bemerkte sofort meine altertümliche, aber doch recht edle Kleidung. Was war hier los? Dieser Streich war eindeutig zu viel.
"Ihr Scheißkerle, wo habt ihr mich nur hingebracht..." Murmelte ich mit zitternden Lippen, während mein Blick die karge Umgebung untersuchte. Nicht unweit befand sich eine steinerne Brücke, dahinter so etwas wie eine Höhle... oder ein Schädel.

„Ja, Abba. Nur 15 Minuten.“ wiederholte ich zum erneuten Mal, ehe sich endlich die Tür meines Zimmers schloss. Der winzigste Luxus, ein eigenes Zimmer mit einer Tür die selten genug geschlossen wurde. Auch heute nur weil ich Abschlussprüfungen hatte und mich nach dem Mittagessen kurz hinlegen wollte – bevor es wieder ans Lernen ging, zu irgendeiner Aktivität der ich mich nicht erinnern konnte zugestimmt zu haben, Vorbereitung für Collegekurse die ich nicht selbst aussuchen durfte. Eine Viertelstunde würde kaum einen Kratzer in meine Erschöpfung reißen, auch wenn diese mehr mental als körperlich war, aber es war alles was ich bekommen würde. Also legte ich mich aufs Bett, nicht die Mühe machend mehr als Schuhe abzustreifen, schloss die Augen und versuchte den Lärm der Stadt ringsum auszublenden. Erstaunlicherweise schien ich auch tatsächlich einzuschlafen, ein angenehmes Fallen in Dunkelheit ehe Vater wieder ins Zimmer stürmte und laut heulend Aufmerksamkeit verlangte...
Moment. Das war der Wind. Irritiert blinzelte ich, öffnete die Augen und richtete mich auf. Keine Wände ringsum. Nur Gebirge, lärmender Wind und ein Kerl der laut herumschrie. Für einen kurzen Moment fühlte es sich an als würde eine schützende Rüstung sich um mich legen, eine Schwere in meiner Hand als hielt ich eine Waffe, meine Haut ins schwarze wechselnd – dann blinzelte ich und es war vorbei. Nun. Wenn das ein Traum war, wollte ich ihn genießen für die kurze Zeit die es andauern würde. Die andere Gestalt noch ignorierend, stand ich endgültig auf und ging ein paar Schritte um mich umzuschauen.

Der Vollmond hing beklemmend am Firmament, ein Vorbote auf das was kommen mag. Langes brünettes Haar wehte frei in der kühlen Nachtluft, während einsam eine Figur auf der Reling eines Balkones saß, die Beine abwesend baumeln lassend. "Der letzte Monat in Freiheit, huh?" Ein emotionsloses und resigniertes Kichern entfuhr meinen Lippen. Heute war mein achtzehnter Geburtstag und wie von meinen Eltern unlängst geplant würde ich im nächsten Monat an den Höchstbietenden versteigert werden. Oder so fühlte es sich zumindest an. Arragierte Hochzeiten waren schon lange nicht mehr zeitgemäß, doch wie so oft interessierte es meine Familie herzlich wenig solange es ihnen Profit versprach. Zugegeben, die Situation wäre anders verlaufen, wäre ich ein Einzelkind, aber es war deutlich außerhalb meiner Kompetenz wenn es um Geschwister und deren Existenz ging. Zugegeben, mörderische Gedanken formten sich in meinem Kopf von Zeit zu Zeit, aber ich würde mich ziemlich heuchlerisch fühlen, würde ich mich auf das Niveau meiner Eltern hinabsenken. "Haaa..." Ich atmete tief durch und starrte zum Mond hinauf. "Was zur...?" Mein Blick verengte sich als der Mond plötzlich eine ätherische Form annahm, durchsichtig wie ein Hologram nur um anschließend das Ebenbild einer alten Taschenuhr darzustellen. Für einen Augenblick wunderte ich mich ob ich träumte und auf dem Balkon eingeschlafen oder der Stress mir schlussendlich doch zu Kopf gestiegen war.

Die Uhr schlug Mitternacht und für einen kurzen Moment wurde es dunkel, ich fühlte ein Zerren und pressen, das ein unangenehmes Gefühl in meinem Körper auslöste. Dann kamen die Bilder. Wie ein zu schnell vorgespulter Film flickerten dutzende kaum zu erkennende Bilder vor meinem inneren Auge. Und obwohl ich nicht wirklich mitbekam was mir gezeigt wurde konnte ich einen gewissen grad an Wahnsinn in den Bildern spüren. Was hatte das zu bedeuten? W-was ging hier nur vor?

Plötzlich blinzelte ich und die Bilder verschwanden. Stattdessen kam das atemberaubende Panorama eines gewaltigen Schnee-gebirges in mein Blickfeld. "Wow...", flüsterte ich zu mir selbst. Für einen Moment konnte ich nicht anders als mich an dem Anblick zu sättigen. Nie hatte ich meine Heimat verlassen dürfen und in dem Territorium der Hawthornes war nichts das einem den Atem rauben konnte - von Überschwemmungen durch zu starken Regen mal abgesehen. Erst nach einer guten Minute kam ich wieder zu mir und bemerkte das ich nicht mehr den überteuren Pyjama, sondern ein elegant verziertes, weißes Kleid trug. Erstaunlicherweise war das Material federleicht und schränkte meine Bewegung kaum ein.

Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine Siluette und erst dann realisierte ich, dass ich nicht alleine hier war. Zwei junge Männer, deren Gesichtsausdruck nach zu urteilen ebenfalls kürzlich in diesem Gebirge erschienen waren, sahen sich um. Mich instinktiv auf meine gelernten Manieren berufend, bewegte ich mich langsam auf die Beiden zu. "Excuse me? Wisst ihr wo wir hier sind?", erkundigte ich mich, ahnungslos das meine Sprache übersetzt wurde oder meine magisch in weiß verwandelten Haare und die stechend goldenen Augen in Kombination mit meiner Kleidung einen eher ungewöhnlichen Eindruck machten.

Kaum waren meine Gedanken halbwegs beisammen, befand sich plötzlich so ein Kerl in meiner Nähe. Für einen Augenblick war es mir, als hätte er eine Empfangsstörung oder so? Bevor ich aber weiter darüber nachdenken oder eine Frage stellen konnte, vernahm ich die Stimme einer jungen Frau.
Hier war wohl so eine Art Sammelpunkt oder so?
Unruhig kratzte ich mir am Hals, sah dabei einmal in die Runde. "Ihr seid eben erst hier aufgetaucht. Vor einer Sekunde war ich noch alleine. Also geht es hier sicher nicht mit rechten Dingen zu..." Schlussfolgerte ich und sah den Jungen nochmal genauer an. Jetzt hatte er keine Empfangsstörungen mehr. Dass ich ihre Frage nicht beantwortet habe, bemerkte ich erst jetzt. "Scheint eine Art Sammelpunkt zu sein, vielleicht eine Raum/Zeit Verzerrung?" Interpretierte ich die Situation.
Immerhin war ich nicht alleine. "Auf jeden Fall bleibe ich nicht hier, es zieht und ist kalt." verkündete ich, während meine Beine langsam anfingen zu zittern. "Ich bin übriges Tanaka Goro." stellte ich mich mit einem Kopfnicken vor. So taten das die jungen Leute bei uns zumindest.
Ehe die Kälte meine Genitalien schrumpfen ließ, beschloss ich diesem seltsamen Gefühl zu folgen, welches mich auf unerklärliche Art zu dieser Brücke zog. Eine Art blaues Licht schien auf der anderen Seite zu leuchten? Ob das eine Art Pilz war, der im Dunkeln leuchtet? Nein. Dafür schimmerte es viel zu sehr durch die Felswand.
Unbeirrte schritt ich also auf die Brücke zu. Erst als einer meiner Füße den Saum der Brücke berührte, bemerkte ich, dass es sich tatsächlich um eine Fratze handelte, die das Licht in ihrem Schlund zu beherbergen schien.
Doch irgendetwas sagte mir, dass wir hier richtig waren. Nirgend sonst gab es hier etwas, also mussten wir hier doch etwas finden? Meine Hände verschwanden in den Jackentaschen, es war einfach viel zu kalt um hier herumzustehen.
Zielstrebig lief ich auf den Schlund zu, bis eine Stimme ertönte.

„Kehr zurück oder trete ein in eine neue Zukunft – deine Entscheidung.“

Was war das jetzt wieder? Eine sprechende Höhle, wie in diesem Aladin Film? Hoffentlich war es auf der anderen Seite wärmer. "Neue Zukunft, warme Füße" antwortete ich hämisch, als ich nochmal nach den Beiden sehen wollte, hüllte mich das Licht vollends ein, sodass es mir nicht möglich war etwas zu erkennen.

Aus dem nichts tauchte dann noch ein Mädchen auf, mit einem Kleid das mich etwas irritiert. So was träumte ich normalerweise nicht... hatte ich wahrscheinlich in der Schule aufgeschnappt. Europäische Kunstgeschichte, wahrscheinlich. Am liebsten würde ich all das wieder vergessen, lieber gestern als morgen. Auf die Frage von ihr zuckte ich dementsprechend kurz die Schultern, keine Lust daran Fragen zu beantworten die mich nicht betrafen. Das war ein Traum, der einzige Ort wo ich meine Ruhe haben konnte. Und Daniel wollte ich hier auch nicht sein, stellte mich nach kurzem Zögern als „Day“ vor. Ein Spitzname den eigentlich niemand je nutzte, schlicht weil ich keine Freunde hatte. Keine die nicht auf gemeinsamen Aktivitäten beruhten zu denen ich mehr gezwungen wurde.
Kühl war mir auch, doch da das hier ein Traum war... was sollte es mich stören? Dennoch folgte ich. Wäre ja zu schade all die Zeit zu verschwenden. Vielleicht war mir das Essen nicht bekommen oder der Stress wurde endgültig zu viel, was immer das hier verursachte – ich glaubte dem noch nicht ganz. Eine neue Zukunft? Meine Entscheidung? Das könnte genauso gut eine fremde Sprache sein. „Kann kaum schlimmer werden“ murmelte ich mehr zu mir selbst, trat aber ebenso ins Licht.

Die Worte von Mr. Tanaka versetzten mich ein wenig in Gedanken. In der Tat schien hier etwas nicht mit rechten Dingen vorzugehen und auch wenn ich eine Raum/Zeit Verzerrung eher als Sci-Fi abstempelte, musste ich zugeben das unsere Lage eher ungewöhnlich, womöglich sogar gefährlich war. Allerdings würde ich es der Menschheit zutrauen, dass hier irgendwo Kameras versteckt waren und die Leute daheim sich auf dem Sofa sitzend über unsere Verwirrung gerade zu herzlich schlapp lachten. "Aubrey", trug ich schließlich in der Vorstellungsrunde bei, gezielt nicht meinen Nachnamen erwähnend. Hawthrone war, zumindest in England, ein bekannter Name und es tat nicht unbedingt Not das meine Identität bekannt wurde. Zum einen verhinderte es das Leute auf dumme Ideen kamen und zum Anderen mochte ich nicht unbedingt mit dem Adel in einen Raum geschmissen werden. Nun wo ich endlich mal etwas Zeit für mich hatte ohne auf Nörgeleien seitens meiner Eltern achten zu müssen, hatte das ganze sogar einen gewissen Anreiz. "Und wenn das ne dumme TV-Soap ist kann ich mir auch später Gedanken über die Konsequenzen machen...", grummelte ich leise zu mir selbst, nur um zu merken das beide Jungen sich von mir entfernt hatten. Mr. Tanaka wurde in einem gleißenden Licht erfasst und sonst wohin gesendet und der Junge, der sich als Day vorgestellt hatte, schien keine Anstalten zu machen nach einer Alternative zu suchen. Seufzend folgte ich der vereisten Brücke zu dem großen Steinschädel und atmete tief durch. "Was kann schon schief gehen?" - Eines Tages würde ich auf diesen Moment zurückblicken und mir wünschen mein altes Ich geohrfeigt zu haben...


Für einen Moment wurde es hell, dann dunkel. Wieder schwebten Bilder vor meinem inneren Auge. Nein. Keine Bilder. Erinnerungen. Aber was hatten sie zu bedeuten? Und warum drängte mich jene Gedankenfetzen eine Straftat zu begehen? Urgh...Werd ich langsam verrückt? Ich? Ein Dieb? Aber...

Bevor ich mich wirklich mit den plötzlichen Gedankenfetzen auseinander setzen konnte, kehrte das Gefühl lebendig zu sein zurück und began zu blinzeln. Die warme Sonne strahlte in mein Gesicht und ich spürte wie ich auf weichem Gras lag. Das leichte Rauschen von Wasser drang an mein Ohr und das Zwitscher von Vögeln. Vorsichtig richtete ich mich auf und bemerkte die weite Wiese um mich herum, vereinzelt waren Bäume und Waldstücke zu sehen. Ein Fluss zog sich unweit der Ebene durchs Land und trennte uns von einem gewaltigen Gebirge. Und mit uns meinte ich tatsächlich die kleine Gruppe vom "Sammelpunkt" wie Mr. Tanaka den Ort lieblich beschrieb, denn Beide fand ich unweit von mir ebenfalls im Gras liegend. "Die Luft ist so klar hier. Weit und breit keine Stadt. Wo sind wir?", warf ich in den Raum, selbst ein wenig in Gedanken versunken.

[Offtopic Aktueller Ort: Irgendwo zwischen Commonwealth und Ankor (letzeres damit wir im zweifel ne erste Stadt haben)]

Als ich wieder zu mir kam, spürte ich keine Kälte mehr. Im Gegenteil, die Sonne schien warm in mein Gesicht. Zufrieden, wenn auch weiterhin verwirrt, ließ ich meinen Kopf zur Seite fallen, um die Umgebung zu erkunden. Zu meiner Rechten erkannte ich... Day... genau, so hatte sich der mürrisch wirkende Junge vorgestellt. Er erinnerte mich an einen meiner älteren Brüder. Immer mies gelaunt, da er ja so viel Verantwortung zu tragen hatte. Ich lächelte unbewusst, bemerkte dabei das mächtige Gebirgsmassiv im Hintergrund.
Zu meiner linken befand sich das Mädchen. Als ihre Stimme erklang, schwang mein Kopf automatisch in ihre Richtung. Mir schien, dass sie... Ihr Name war etwas kompliziert.... Irgendein Gemüse hieß auch so. Aubrey... Eine schlechte Eselsbrücke. Rügte ich mich selbst.
Als ich mich aufgerichtet hatte, um noch mehr Eindrücke aus der Umgebung zu ziehen, stellte sich mir eher die Frage warum wir schon wieder zusammen an einem Ort gelandet waren. Die Wahrscheinlichkeit dafür war so gering. Ein eindeutiges Signal, das Glück herauszufordern.
Leider änderte das nichts an der Tatsache, dass ich völlig mittel- und ahnungslos mit zwei Fremden auf einer Wiese in einem mir nicht bekannten Teil der Erde war.
"Echt... kein Plan..." antwortete ich dem Mädchen und versuchte dabei in der Ferne irgendeinen Anhaltspunkt zu finden. Doch das Einzige was ich sah, war ein Flimmern oder so. "Jedenfalls nicht mehr in Japan..." beendete ich nach einer kurzen Pause meinen Satz, während dessen ich versuchte meine Sehstörungen durch Augenreiben zu beheben.
Als ich wieder das Gefühl hatte, etwas sehen zu können, deutete meine Hand in Richtung Westen. "In der Richtung habe ich eine Art Hitzeflimmern gesehen. Vielleicht ist da eine Schnellstraße oder so..." versuchte ich meine Beobachtung zu deuten.

Die Last der Verantwortung konnte man meinem jungen Leben definitiv ansehen, obwohl ich wenig davon bewusst gewählt hatte. Dementsprechend blieb ich auch einen Moment länger auf der Wiese liegen, eigentlich erwartend das es hier vorbei war, ich geweckt wurde – aber nein. Hieß aber auch, dass ich gerne liegenbleiben würde, das jedoch nicht konnte weil diese Traumgestalten Interaktionen forderten. Also doch wieder aufstehen.
„Japan?“ hakte ich bei den Worten von Tanaka nach. Ich war nirgendwo nahe Japan gewesen, wäre mir auch neu dass das auf dem Plan stand. Fürs Studium schienen englischsprachige Länder besser, hatte ich kaum die Zeit auch noch eine weitere Sprache zu lernen. Indien hatte schon selber viel zu viele. Wenigstens war es hier still, Natur ringsum. Konnte die Finger in die Erde graben und mich ruhig fühlen. Mit dem letzten Schuljahr waren selbst die gelegentlichen Wanderungen selten geworden und richtigen Urlaub gab es sowieso nicht. Könnte mich ja verwöhnen.

Abwesend Erde von meinen Strümpfen klopf, zog ich die Augenbrauen nach oben und wendete den Blick ab, ihn in der Umgebung schweifen lassend. Ein komplizierter Gesichtsausdruck machte sich in meiner Miene breit. "Nennt mich verrückt, aber ich hab meine Zweifel, dass wir überhaupt noch auf der Erde sind.", kicherte ich etwas verloren klingend. Und zurecht. Ein sprechender Schädel, der einem die Chance auf ein neues Leben bietet? Gekidnappte Leute, die offensichtlich aus unterschiedlichen Teilen der Erde stammten? Und zu guter letzt war die Topografie unserer neuen Umgebung gerade zu unrealistisch. Ich lachte leicht als ich mein Blick wieder den beiden Fremden wittmete. "Und das Beste daran? Wir sprechen unterschiedliche Sprachen, aber verstehen uns perfekt. Achtet auf meine Lippen, ich wette sie bewegen sich nicht im Takt mit dem was ich sage." Schon in frühen Kindheitsjahren hatte ich gelernt auf die Feinheiten zu achten, Details in Mimik und Gestik. Politik war ein Schlachtfeld und der Adel setzte immer einen oben drauf. Wer keinen Wert auf Achtsamkeit legte wurde von den Haien am Hofe lebendig gefressen. Ich rieb mir etwas die Augen in mentaler Erschöpfung. Diese ganze Situation machte es nicht besser, davon abgesehen das meine offensichtliche Entführung aus England um Mitternacht statt fand BEVOR ich den erwarteten Komfort meines Bettes genießen konnte. "Well...eine Spur, wie jede andere. Ein Anfang zumindest.", erwiderte ich auf die Beobachtung des Schwarzhaarigen und folgte langsam dem Flusslauf in die entsprechende Richtung, abwesend das Monokel reib, welches sich scheinbar zusammen mit meinem neuen Outfit eingeschlichen hatte. Ein Teil von mir hoffte immer noch ich würde einfach nur träumen...auch wenn ich den Traum der Alternative einer Zwangshochzeit definitiv vorziehen würde.

Es dauerte zwar etwas, aber dann verstand auch ich es. Ihre Argumente waren stimmig, passend zur einsilbigen Frage des Verantwortlichen. Spätestens beim Schädel hätte ich mir mal Gedanken machen sollen... aber dieses Licht war einfach zu verlockend. Rügte ich mich erneut. Meine Hand strich kurz über meine Lippen, als wollte ich mich darüber versichern, dass die Gedanken nicht auch noch Zwangsübersetzt wurden. Dann kam mir ein völlig anderer Gedanke. Hier war es nicht unbedingt schlecht. Niemand kannte mich, niemand hatte Ansprüche. Ich konnte einfach gehen, wohin ich wollte.
Sein, wer ich wollte.
Ich musterte erneut meine sehr adrette Kleidung, die bereits schmutzigen Schuhe. Dann noch einmal meine Leidensgenossen. Damit kann ich sehr gut leben. War eh scheiße, wie es war. Akzeptierte ich leichtfertig die Situation ohne einen Gedanken an Essen, Trinken, Unterkunft oder sonst etwas zu verschwenden.
Indessen hatte sich das Mädchen bereits in Bewegung gesetzt. Vorerst war es wohl das Beste in der Gruppe zu bleiben. Früher oder später konnte ich mich einfach irgendwo absetzen. Sie schien sehr dominant und er ziemlich mürrisch. Keine gute Kombination, wenn man einfach nur sein Ding machen wollte. Zudem waren beide nicht besonders gesprächig.
Ich ließ Aubrey vor mir her gehen und folgte mit gebührendem Abstand. "Hast du vor Wurzeln zu schlagen?" fragte ich Day, bevor ich mich langsam in Bewegung setzte.
Die Herkunft der Beiden hätte mich schon noch interessiert.
Verträumt glitt mein Blick über das ruhige Wasser des Flusslaufes. Einige Fische huschten flink durch die Strömung. Das lange Gras strich sanft an meinen Füßen vorbei. Es war wirklich surreal. Hoffentlich gab es hier eine gute Infrastruktur. "Bist du eine Prinzessin oder hast du einfach einen Fetisch für Rüschen?" platzte es aus mir heraus, als ich das Mädchen eine Weile beobachtet hatte. Um Day nicht völlig auszuschließen, hatte ich mich unmerklich immer weiter zurück fallen lassen, sodass ich annähernd auf seiner Höhe mit ihm gehen konnte. Auch nonverbale Kommunikation war wichtig.

Nicht die Erde... keine Ahnung wie ich darüber fühlen sollte. Für all die Zeit die ich mir wünschte von meinen Eltern weg zu sein, so hatte ich doch keinen Plan was ich machen sollte, wenn man mir die Wahl ließ. Aber mit der Sprache hatte Aubrey recht, hatte dem schlicht keine Beachtung geschenkt, solange es keinen sichtbaren Nutzen hatte. Dennoch könnte ich nicht mal sagen ob ich sie jetzt in Englisch oder Hindi hörte, verstand es einfach.
Anders als sie war meine Kleidung nicht verändert, doch so eine indische Schuluniform war schon ordentlich genug. Shirt, Blazer, gebügelte Hose – zumindest aus guter Baumwolle, nicht beengend. Leicht schüttelte ich den Kopf, folgte den beiden. Ich traute dem Frieden einfach noch nicht, wollte die wilde Landschaft genießen und ein klein wenig Ruhe haben. Reden konnten wir wenn das tatsächlich von Dauer sein würde. Erschöpfung war leicht mit schlechter Laune zu verwechseln.

Das gute am Flusslauf war, dass es keine Möglichkeit bestand uns zu verirren und wir vermutlich früher oder später auf eine Siedlung treffen mussten. Sofern hier menschliches Leben überhaupt vorhanden war, dann in der Nähe einer Trinkwasserquelle. Meine Schritte waren sicher und zuversichtlich, zumindest bis Mr. Tanaka eine Frage raushaute, die mich beinahe zum stolpern brachte. Mein Kopf drehte sich in seine Richtung mit erhobener Augenbraue, die Frage als das erkennend was es sein sollte: Gedankenlos, nicht beleidigend. Adel hieß Worte zu interpretieren, ein Grund mehr warum mich leicht misszuverstehende Worte nicht wirklich kränkten. Zumindest wenn es im Rahmen blieb. "Hee~, in gewisser Weise trifft Prinzessin - zumindest in all den negativen Seiten." Meine Gedanken behielt ich aber für mich. Als Reaktion kicherte ich jedoch etwas. "Weder noch, befürchte ich.", erklärte ich sichtlich amüsiert auf die Frage. "Auch wenn das Outfit nicht gerade meine Wahl war, der pinke Pyjama, wie der den ich im Transfer ins Gebirge wohl verloren habe, wäre vermutlich die weniger optimale Alternative gewesen..." Und damit ließ ich das Statement im Raum stehen.

Keine fünf Minuten waren vergangen als ich etwas am Horizont sah. "Schätze Hauptstraße ist fern ab der Wahrheit. Ich kann Palisaden sehen. Und nicht die Themenparkvariante...", stöhnte ich enttäuscht. Neue Welt oder nicht, wenn die hier im Mittelalter feststeckten...urgh...Hygiene adieu.

Bestätigend brummte ich vor mich hin, als sie erklärte ihr Nachthemd verloren zu haben. Klar, schließlich hatte ich selbst ebenfalls andere Kleidung an. Dann war eines klar. Die Sprache, die Welt, die Kleidung und das unerwartete Teleportieren von Personen, musste etwas mit Magie oder dergleichen zu tun haben. Zumindest hatte ich keinen Dämonen oder Geist in Erinnerung der solchen Dinge mit dir anstellen würde.
Als das Mädchen die Sichtung einer Stadt ausrief, legte ich einen Gang zu, um ebenfalls einen Blick auf das Gebilde zu werden. Das alles erinnerte mich entfernt an einige der Mangas, die ich mal gelesen hatte.
"Unglaublich... Aber irgendwie auch cool." kommentierte ich meine Gedanken.
Hier wirkte alles wie im Mittelalter, das wiederum passte einigermaßen zu den Klamotten, die wir trugen. Zumindest fast. Day schien nicht ganz ins Muster zu passen.

Zuerst wollte ich mal einen Schluck aus dem Fluss neben mir trinken, denn mittlerweile war es schon recht warm geworden. Als meine Hände das Wasser berührten, um es wie eine Schale auszunehmen, konnte ich ein seltsames Gefühl wahrnehmen. Mir war fast, als würden das Wasser freiwillig in die gekrümmten Hände fließen. Als mein Durst gestillt war, kehrte ich zu den Beiden zurück.
"Das hört sich jetzt Nerdig an, aber könnte es sein, dass wir in einer Fantasywelt gelandet sind? Ich mein dieser Schädel hat uns teleportiert und blau geleuchtet. Unsere Sprachen werden übersetzt wie durch... Magie. Glaubt ihr hier gibt es Hexen und Drachen?" Mutmaßte ich und langsam hatte ich echt das Gefühl dass diese Reise mein Hirn aufgeweicht hatte. Vielleicht waren auch nur die völlig abgedrehten Umstände schuld.

Das ich anscheinend keine neuen Klamotten bekommen hatte irritierte mich wenig – zum einen fühlten die sich irrelevant an, als wäre es nur ein Übergangslösung, zum anderen hätte ich auf die Frage was ich tatsächlich wollte nicht mal antworten können. So schlimm würde es schon nicht werden. Selbst wenn, es fand sich meistens jemand der bereit war schlechtere Kleidung gegen besser zu tauschen und das war genug um wenig aufzufallen. Nicht das ich oft Gelegenheit dazu hatte, aber mit so wenig Freiheit wie meine Eltern es mir ließen, waren Strafen auch nichts anderes als ein weiterer Termin.

„Wenn das überhaupt echt ist. Ich trau dem noch nicht ganz.“ kommentierte ich Tanakas Überlegungen. Zu oft waren Sachen versprochen wurden, die eine Tag, eine Woche oder einen Monat später plötzlich wieder vergessen wurden. Aber solang es andauerte, wollte ich es genießen, ließ die Finger durch das fließende Wasser gleiten. Erstaunlich sauber, verglichen mit den Flüssen die ich kannte – aber Erde war mir dann doch noch lieber.

"Fühlt sich echt an.", erwiederte ich eher gelassen auf Days Aussage. Die kühle Windpriese, der Boden unter den Füßen, selbst der Zwickschmerz - alles fühlte sich echt an. Damit war Traum auszuschließen. Neue Technologie, die auf das Gehirn zugreift? Wohl kaum, meine Eltern hätten bereits lauthals aufgeschrien, was mich als Testziel eher unattraktiv machte. Und Magie? Nun wenn Magie existierte, dann war die neue Welt unser kleinste Problem.

Ich pausierte zeitgleich mit den beiden Jungen und nahm ebenfalls einen Schluck zu mir, das Wasser sah klar genug aus, frei von der Verschmutzung dank Überbevölkerung. "Man kann selbst die Fische sehen...", kicherte ich leise zu mir selbst und richtete mich dann an Mr. Tanaka. "Schwer zu sagen. Normal würde ich das Ganze verneinen, aber ich fürchte ein offener Ansatz dient uns besser in unserer jetzigen Situation. Es wäre faszinierend, aber...", tat ich meine Meinung kund. Zugegeben Mystik war ein spannendes Thema, wenn gleich es für mich eher fiction war, würde ich mich sicher mit Magie anfreunden. Aber Drachen? Monster? Hoffentlich nicht. "... aber andererseits, wenn ich ehrlich bin, kann ich gut auf ein Cthulhu-Szenario verzichten." Gänsehaut durchfuhr mich leicht, ehe sich mein Fokus rasch wieder auf die Stadt legte. Stadt gleich keine Monster. Zu mir selbst nickend wartete ich auf die beiden Jungen und setzte den Weg fort.

Die Echtheit dieser Welt zweifelte ich nicht an. Dafür schmeckte das Wasser viel zu natürlich. Magie hingegen wäre sehr cool. Drachen und Hexen dafür wieder eher weniger. Von einem Cthulhu hatte ich jedoch noch nie gehört. "Hört sich sehr ungesund an, so ein Cthulhu. Das brauche ich dann wohl auch nicht." antwortete ich, auch wenn das überflüssig war.
Sie schien es plötzlich eilig zu haben, darum schloss ich auf. Der Weg zur Siedlung kam mir fast schon unnatürlich lang vor. So lange, dass ich mit meinen Händen immer wieder "Magische Gesten" ausführte, wie ich es in einem meiner Mangas schon gelesen hatte. Zu meinem Bedauern schossen keine Flammen aus meinen Fingern und es entstanden auch keine Eisstürme.
Trotzdem gefiel mir der Gedanke.
Ehe wir die Palisaden erreichten, die tatsächlich aus Stämmen bestanden. Traten zwei Männer aus einem seitlich gelegenen Tor. Vermutlich wollte man wissen wer sich Zugang zu seiner Palisade verschaffen wollte. Ich fragte mich ob man einfach so hindurch gehen konnte oder dafür eine Art Passwort brauchte. Jedenfalls schienen wir uns tatsächlich in einer Art Mittelalter zu befinden, denn die Wachen, falls es denn welche waren, trugen Stangenwaffe und Lederwams.
Die kalten Getränke konnte ich auf jeden Fall vergessen, dafür bestand noch die Chance auf Weiber und Glücksspiel. "Und was sollen wir Bing und Bong da drüben erzählen?" Fragte ich, als die Männer provokant den Weg versperrten. Fremdenhass gab es wohl überall.

„Echt mag es sein. Das heißt nicht, dass es anhält.“ Selbst Götter waren unberechenbar und nahmen Versprechen zurück. Besser sich weniger Hoffnung zu machen und den Tag einfach zu nehmen wie er war. Was das ganze mystische anging, so seufzte ich leicht. „Wenn es Götter sind, dann besser keine die ich kenne.“ Die und angebliche Verwandtschaftslinien bis zurück in die frühen Beginne der Menschheit waren die Ursache warum ich in diesem ganzen Stress war. Verantwortung von Toten war das schlimmste.
Anscheinend konnten wir auch nicht einfach hier bleiben um die Landschaft zu genießen sonder mussten weiter, zu dieser Stadt. „Die Wahrheit?“ schlug ich vor. „Ist nicht so als hätten wir etwas verbrochen.“ Wobei es wohl besser wäre wenn die beiden voraus gingen. Ihre Kleidung schien besser hier her zu passen, auch wenn es im Verhältnis zu den Wachen wohl übertrieben war.

"Glaub mir, ungesund trifft es nicht mal ansatzweise....", schauderte ich leicht auf dem Weg Richtung Ortschaft. Je näher wir kamen, desto größer wurde jedoch die Siedlung. Es wurde offensichtlich das die Palisade nur die äußerste Verteidigungsanlage darstellte, denn etwas weiter in der Ferne konnte man Türme und Steinmauern erkennen, jetzt wo keine Bäume mehr im Weg waren, die die Sicht versperrten. Ein Tor und ein leichter Feldweg kamen in Sicht, doch offensichtlich würde man es uns nicht leicht machen die Ortschaft zu betreten. Die zwei Wachen machten einen einschüchternen Eindruck, tatsächlich kann man ihrer Mimik jedoch massive Langeweile ansehen. Wer würde nicht vor Langeweile sterben wenn man Tag ein und aus ein Tor bewachen soll, wo anscheinend ohnehin nicht viel los war. "He~ Ich denke die Wahrheit bringt uns eher in eine Zelle oder amüsiert die beiden Gesellen genug das sie uns reinlassen. Zu großes Risiko. Urgh mir fällt schon was ein, überlasst das Reden mir...", bemerkte ich und richtete mein Kleid anständig zurecht. Das Ganze könnte definitiv eine Herausforderung darstellen, denn zum Schauspielern gehörte immer etwas Hintergrundwissen ... aber in diesem Fall musste ich improvisieren. Konnte nicht schlimmer werden als mein zwölfter Geburtstag.

Mein Schritt passte sich an, gelassen aber selbstbewusst, die Arme hinter den Rücken spielerisch verschränkt und mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen näherte ich mich. Mir fiel auf wie die beiden Wachen etwas aufrechter standen. Authorität? Nervösität? Vielleicht erinnerte meine Kleidung an den Adel oder Personen im höheren Stand in dieser Welt? Mein Verstand lief auf hochtouren um möglichst viele Details zu erhaschen. Recht schnell war klar, dass sie mich nicht mit direkten Vorgesetzten sondern einer höheren Position verbanden, als der kleinere der beiden Männer ausrief: "Halt! Gebt euch zu erkennen!" Seine Sprache war brüchig, gruff und altertümlich. Ich setzte einen extra Schritt nach vorne, nur um dem Authoritätsplay gerecht zu werden, und blieb schließlich stehen. "Ara~ Wir sind auf der Durchreise und suchen Unterschlupf für die Nacht. Wollt ihr uns etwa aufhalten?" Meine Lippen hoben sich in einem finsteren Grinsen, als beide Wachen etwas steifer in ihrer Haltung wurden. Ein Zeichen, das es schonmal zu unschönen Problemen mit Personen in höheren Ständen gekommen waren. Hätte ich die Anzeichen nicht gesehen, wäre die Art Drohung vermutlich recht gefährlich gewesen, doch der Trick bei der ganzen Sache war selbstbewusst aufzutreten. Tatsächlich schnaubte der Größere der Beiden und machte den Weg frei. "Fein, herein mit euch. Aber macht uns keinen Ärger, Magierpack, davon haben wir wahrlich genug." Interessant. Magier? Ich verkniff mir den Reflex zu Mr. Tanaka zu schauen, stattdessen nickte ich der Wache wohlwollend, aber verspielt zu und richtete mit einer Hand etwas das Monokel in meinem Gesicht. Mit einer Kopfgeste bedeutete ich den beiden Jungen mir zu folgen, ehe wir das Tor durchschritten und auf die gepflasterte Hauptstraße des Vorortes traten. Menschen in mittelalterlichen Tuniken vollzogen hier ihr Tageswerk und so manch einer von ihnen wittmeten uns mit verdächtigen Blicken. "Soweit so gut, auch wenn wir kein Geld haben für ne Bleibe.", flüsterte ich zu den Beiden, als ich mich in deren Mitte zurückfallen ließ. Das machte es zumindest schwerer uns zu belauschen, hoffte ich. "Aber hey...Magier.", grinste ich Mr. Tanaka an.

Ich war etwas verwirrt, plötzlich so viele Worte aus dem bisher so stillen Jungen zu hören. Noch mehr irritierte es mich, dass er auf die Götter zu sprechen kam. War er etwas besonders gläubig?
Die Prinzessin bestätigte jedenfalls meine Aussage und ich war mir noch viel sicherer dieses Etwas nicht antreffen zu wollen.
Als ich mich nach dem weiteren Vorgehen, bezüglich der Wachen, erkundigt hatte, meldete sich Day zuerst. Er hatte zwar Recht, aber selbst mir kam es sehr unwahrscheinlich vor, dass man uns mit dieser wilden Geschichte einfach hereinbitten würde. Meine Zweifel wurden kurzerhand von Aubrey bestätigt und ich musste nur noch zustimmend nicken.
Etwas mulmig war mir schon, als sie erneut die Führung übernahm. Bing und Bong ließen sich jedenfalls sehr schnell einschüchtern. Kein Wunder. Das Mädchen verhielt sich wie ein Zuchtbulle auf Okinawa. Beängstigend und faszinierend zugleich. Die Frauen die ich so kannte, konnten gut trinken und spielen.
Sie schaffte es uns in die Stadt hinein zu bringen. Hier war ein reges Treiben, die Leute sahen einfach aus wie in den Schulbüchern. Manche trugen nur Leinen, andere immerhin Stoff. Schuhe hatte auch nicht jeder.
Außer dem hatte ich den Eindruck, dass Magier hier nicht besonders gerne gesehen waren. Aber hey, hier war der Beweis: Es gab tatsächlich Magie und hoffentlich keinen Cthulhu.
Meine Freude wurde bald getrübt, als sie unser Geldproblem ansprach. Für mich war diese Situation nicht unbekannt. Wie oft hatte ich schon aus ein paar Münzen einen schönen Abend gemacht. Leider hatte ich nun nicht mal eine einzige Münze, die ich verwetten konnte.
Nachdem ich ihre Bemerkung über die Magie mit einem Lächeln erwidert hatte, begann ich verzweifelt meine Kleidung nach etwas Wertvollem zu durchsuchen. Wie zu erwarten war, hatte man nicht nur meine Kleidung getauscht, sondern auch die ganzen Wertsachen entnommen. Lediglich ein ranziges Stück Pergament steckte in der Innentasche meines Sakkos. Also nichts was man setzten konnte.
"Ich könnte in diesem Gasthaus dort mein Glück versuchen und um ein Zimmer spielen. Ohne einen Einsatz wird das ungünstigerweise nichts werden." Schlug ich vor und deutete dabei auf ein etwas größeres Haus. Es trug auch ein großes Schild und wie eine Schmiede sah es auch nicht aus. "Aber vielleicht finden wir dort noch etwas mehr über die Gegend und die Magie heraus." Fügte ich hinzu.

Was den Protest zur Wahrheit anging, so zuckte ich scheinbar desinteressiert mit den Schultern. War mir die Energie nicht wer darüber zu streiten wenn wir nicht wissen konnten, welche Methode nun funktionieren würden. Im schlimmsten Fall mussten wir halt zum nächsten Eingang laufen. Dementsprechend schenkte ich auch den Wachen wenig Aufmerksamkeit, sah mir lieber die Palisade und die Stadt dahinter an. Schien vom Stand her nicht anders als manches armes Viertel in meiner Heimat, nur mit eher europäischem Ausgangspunkt. Ganz gut, dass ich meine Schuluniform anhatte und nicht etwas mehr traditionelles – Hosen und Shirt mit Blazer fielen nur in Schnitt und Qualität auf.
Aber zumindest bekam es uns herein. Magier, also. Ich konnte das nicht so ganz mit uns in Verbindung bringen, geschweige denn dass ich das Gefühl hatte irgendwas besonderes zu können. Wie fand man so etwas heraus, ohne Hinweise zur Durchführung? Geld brauchten wir wohl, blickte mich nachdenklich um. „Ich besorge etwas Startgeld.“ beschloss ich und lief auch gleich in eine Gasse ohne auf Rückmeldung zu warten. Sollte nicht allzu lange dauern. Feilschen konnte ich zumindest.

"Wir treffen uns im Gasthaus dort...", rief ich Day hinterher, hoffend das er sich nicht verirrte. Zugegeben wir kannten uns kaum, aber ich zog unsere kleine Gruppe vor, die zumindest von unserer Abstammung wusste, als hier alleine rumzulaufen. "Ich würd mich selbst umschauen, aber ich hab die Befürchtung mein Outfit ist zu auffällig...", mutmaßte ich zu Mr. Tanaka, insgeheim auch daher das mich die fremde Stimme im Kopf immer noch dazu drängte einen Taschendiebstahl durchzuführen. Ich mein, warum hielt mich der Gedanke so unheimlich fest? Die Stimme sprach von Kräften - sprach war hierbei ein starkes Wort, da es mehr Erinnerungsfetzen waren die immer wieder aktiv in meinem Kopf vor sich hingeisterten. Froh genug das ich es ignorieren konnte. Urgh, ich wusste tatsächlich nicht was ich davon halten sollte. "Besser wir warten auf Day bevor du was verzockst...wer weiß was die tun wenn du nicht zahlen kannst und ich hab nicht wirklich große Lust darauf am ersten Tag Zwangsarbeit aufgebrummt zu bekommen oder unter die Erde zu wandern...", riet ich dem Schwarzhaarigen und seufzte. "Aber ich schätze Information kann nicht schaden und wenn wir nur den Gästen lauschen." Die Taverne betretend, konnte man von Glück reden das zum ersten es nicht sehr voll war und zum zweiten wir nicht direkt von jedem Gast angeschaut wurden, wie ich es mir fast im Kopf durchgespielt hatte. Ich deutete auf einen freien Platz in einer eher schattigen Ecke des Lokals und nahm dort Platz. Es dauerte nicht einmal lange, da kam die Schankmaid auf uns zu. "Was darfs sein ihr Hübschen?", bemerkte die mollige Frau mittleren Alters. Fehlte eigentlich nur noch die Küchenrolle und das Klischee wäre perfekt. "Fürs erste noch nichts, danke. Wir waren auf einen Bekannten und bestellen dann.", bemerkte ich, teils versuchend Überzeugungsarbeit zu leisten. Konnte mir vorstellen das Gäste ohne Geld rausgeschmissen wurden. Glücklicherweise schien die Frau nur die Stirn hochzuziehen und verließ uns kurzerhand mit einem Schulterzuckend. "Urgh...sicher fühl ich mich hier nicht. Starrt der Typ da hinten mich an?", flüsterte ich, nur sporadisch mit den Augen auf Wanderschaft gehend. Ich war mir sicher meine Kleidung würde noch zu problemen führen. Besonders wenn das Dorf ein Diebesproblem hatte. Auch wenn es bei mir nichts zum ausrauben gab...das würde halt nur keine Sau glauben.

Es wunderte mich, dass mein Vorschlag sofort angenommen und umgesetzt wurde. Waren es doch sonst meine Eltern, die den Ton angaben. Sie entschieden stets, was gut oder schlecht war. Day erklärte sich sofort bereit Kapital zu beschaffen, verschwand eine der Gassen. Hoffentlich raubte er niemanden aus... einer Diebesbande wollte ich wirklich nicht angehören. Mein Blick folgte also dem Jungen, bis er verschwunden war. Aubreys Mutmaßung konnte ich nur zustimmen und meinte: "Vermutlich sind wir beide etwas zu gut angezogen, aber das verschafft uns hoffentlich später nochmal einen Vorteil." Denn wie ich bereits gesehen hatte, beherrschte die das Bluffen sehr gut, vielleicht sogar besser als ich. Als sie ihre Ängste bezüglich der Wettschuld äußerte, musste ich unbewusst kichern. "Also meistens wirst du einfach nur brutal verprügelt, denn tote können nicht mehr zahlen." Erklärte ich, wobei meine Stimme von lustig zu nachdenklich wechselte. So witzig war es echt nicht gewesen, von 3 Gorillas vermöbelt und dann in die Gosse geworfen zu werden.
Wir betraten also das Gasthaus, es wirkte einfach wie aus einem Roman. Ein Klischee schlecht hin, ebenso wie die Schankmaid. Irgendwie gefiel es mir trotzdem. "Ach quatsch, den stört es sicher, nur wenn Fremde hier herkommen ohne zu trinken. Das wirkt vielleicht sehr unhöflich und... ok, jetzt kommt er einfach rüber...." antwortete ich ihr mit gesenkter Stimme, als der Kerl einfach aufstand und in unsere Ecke kam. Sicherlich vermutete er bei uns was abstauben zu können. "Ihr da. Ist unser Bier nicht gut genug für euresgleichen oder seid ihr Spione dieser dreckigen Diebe?" konfrontierte er uns mit einem gehässigen Blick. Es war als würde er mir direkt eine reinhauen. "Wir kommen von weit her und haben noch einen weiteren Gesellen im Bunde. Leider trägt er unser Geldbündel bei sich und wir können hier sicherlich nicht anschreiben." antwortete ich und war überrascht wie selbstsicher ich es diesem Kerl geben konnte. Er hingegen schien nicht sonderlich beeindruckt von meinem Schauspiel und orderte sogleich einige Getränke an unseren Tisch. "Ihr könnt eure Schulden gerne bei mir abarbeiten, die holde Maid ist sicher gut zu gebrauchen." schnurrte er mit starrem Blick über den Tisch. So viel zum Thema: Keine Schulden und nicht weiter auffallen. Ich spürte etwas Panik. Wie sollten wir da wieder rauskommen? Die Getränke kamen und der Kerl zahlte. Damit hatten wir jetzt wohl ein Problem.
"Spielen wir doch um den Einsatz. Alle Münzen, die wir bei uns haben, gegen eure Gastfreundschaft." Schlug ich mit nervöser Stimme vor, doch da lachte der Schrank nur. "Ihr haltet mich für einen Narren? Ihr habt nichts außer der Maid, das soll der Einsatz sein."
Es juckte mich zwar sehr, doch konnte ich nicht einfach den Körper einer Anderen verwetten. So viel Anstand besaß sogar ich. Unsicher sah ich Aubrey an. Ich hoffte, dass sie eine Lösung parat hatte, schließlich hatte sie uns auch hier hereingebracht. Ein leises "Sorry..." zischte ich ihr noch zu. Hätte ich sie lieber gleich reden lassen.

Natürlich würden wir uns im Gasthaus treffen. Wo sonst? Ich rollte innerlich die Augen und steuerte an was ich vorhin gesehen hatte - einen Markt voller verschiedener Stände. Irgendwo hier gab es sicher auch einen Schneider und mit ein wenig freundlichem Feilschen tauschte ich den Schulblazer und mein Hemd gegen eine stabilere Tunika und ein paar Münzen obendrauf. Hose ließ ich noch, allein wegen der Taschen und bei Schuhen waren meine doch von besserer Qualität. Besonders wenn wir weglaufen mussten, sollte Tanaka sich im Spiel vertun oder Aubrey die falschen Leute ansprechen. Manchmal war es besser sich zurück zu halten.
Dennoch dürfte das eine Weile dauern und ich hatte definitiv nicht erwartet, in was für einen Ärger die beiden derweil geraten...

Mit wachsener Faszination sah ich zu, wie es Mr. Tanaka gelang uns dermaßen in die Scheiße zu reiten, wie ich es wirklich noch nie miterlebt hatte. Ein wenig bereute ich es ihn Reden lassen zu haben, denn der Typ war offensichtlich auf Konfrontation aus und zu erwähnen das wir kein Geld mit uns führten zog die Schlinge nur noch enger. Als er es dann auch noch schaffte Glücksspiel zu erwähnen und aus irgendeinem Grund meine Wenigkeit als Einsatz verwettet wurde - zumindest den Worten des Halunken vor uns zu urteilen - hatte ich längst die Arme vor dem Kopf verschlagen und überlegte wo in meinem Leben etwas schief gelaufen war, dass ich in so eine Situation gerate.

Das kleinlaute Sorry veranlasste dabei nur das ich ihn mit einem ungläubigen Blick anstarrte. Mit ziemlicher Sicherheit wäre das Monokel herunter gerutscht, wäre es nicht festverankert. Gut, keine Zeit über Fehler nachzudenken. Wir brauchten eine Lösung um aus dem Schlamasel wieder herauszukommen. Ich war zumindest froh dank meiner Herkunft genug Selbstbewusstsein zu haben, denn es war definitiv nicht angenehm einem lüsterten Blick ausgesetzt zu sein, der einem auch noch als Objekt behandelte. Aber fatale Situationen erforderten kritische Maßnahmen weshalb ich mich innerlich bereit machte. Die Arme entfernend setzte ich ein verspieltes Lächeln auf, in Gedanken überlegend wie ich es Mr. Tanaka heimzahlen konnte, ehe ich aufstand. "Ich denke nicht das solch unpflegen Praktiken wie Glücksspiel nötig sind." Ich lehnte mich mit einer Hand an die Brust des Halunken und starrte ihm mit erhobenen Mundwinkeln in die Auge. Allein schon an der Tatsache das sein Blick von meinen Augen immer wieder zu meinem Vorbau wanderten und seine Wangen sich rot färbten, konnte ich erkennen das er gerade die beste Zeit seines Lebens genoss. Er merkte nicht wie meine zweite Hand an seiner Schulter entlang wanderte bis zu seinem Gürtel und dort heimlich den zuvor entdeckten Geldbeutel löste. Nun hatte ich natürlich das Problem keine Taschen in meinem Kleidchen zu besitzen, doch zum Glück war der Beutel klein genug um in eine Faust zu passen.

Kaum war ich sicher seinen Beutel fest in der Hand zu halten, wurde meine Augen kühl und einen deut mörderisch. Ich presste mit der Hand etwas nach vorne und auch wenn es ihn nicht aus dem Gleichgewicht brachte, überraschte es ihn genug das ich Zeit hatte mich umzudrehen und das Täschchen in meinem Ausschnitt zu begraben. Keine Sekunde später wurde mein Kopf ruhig, gespenstisch ruhig. Die sonst drängende Stimme einen Diebstahl zu begehen war still, doch innerlich bereute ich es nicht. Der Typ hatte es verdient. Gelassen setzte ich mich an den Tisch und starrte den Mann an. "Andererseites, Glückspiel hat seinen Reiz." Ich spielte etwas mit den Fingern an meinen Lippen als würde ich tief in Gedanken schweifen. "Aber woher wissen wir, dass ihr wirklich genug Geld habt um unsere Getränke zu bezahlen. Ihr seht ziemlich arm aus...", meinte ich spielerisch, während mein Blick ihn vermutlich längst umgebracht hätte.

Ich konnte es nicht nur sehen, sondern auch fühlen. Aubrey war nicht besonders angetan. Zu meinem Glück übernahm sie nun wieder die Führung. Es schien für einen Moment so, als hätte sich ihre Persönlichkeit komplett umgedreht. Wie ein Bluff? So allmählich war ich mir nicht mehr sicher, was echt oder unecht an ihr war. Für den Moment rette sie uns damit jedenfalls aus dieser Lage.
Verwirrt verfolgte ich ihr Schauspiel. Es dauerte etwas bis ich erkannte, was genau sie da vorhatte. Zum Glück war das Licht hier nicht besonders gut, sonst hätte die Schankmaid oder einer der anderen Gäste noch etwas gesehen.
Der Kerl stieg letztendlich auf ihre Provokation ein und griff selbstsicher an seinen Gürtel. Es schien als würde die Zeit für einen Moment still stehen. Dabei wechselte die Gesichtsfarbe des Gorillas von freudig erregt zu zornig erregt. "Ihr haltet mich also zum Narren und dann wagt ihr es mich zu bestehlen?!" Brüllte er lauthals durch die Taverne. Die Schankmaid ging bereits hinter dem Tresen in Deckung, als zwei weitere Männer die Tür mit einem dicken Riegel sicherten.
Nun war ich es, der Aubrey mit einem "Gut gemacht" Blick ansah. Lange hatte ich jedenfalls keine Zeit dafür, denn ein Arm versuchte mich am Kragen zu packen. Da dies nicht meine erste Schlägerei war, wusste ich wie man sich aus einem Griff befreien konnte. Als dann aber die zwei Anderen mit langen Messern zu Hilfe kamen, sah die Sache wieder anders aus.
Einer der Messermänner wollte sich an Aubrey vergreifen. Der Kerl und der andere Messermann jagten mich wie wild durch die Taverne. Dabei stieß ich alles um mich, was mir auch nur einen Hauch von Vorsprung verschaffen konnte. Stühle, Leuchter, Krüge, einfach alles.
Mein Glück hielt nicht lange an, denn die Beiden konnten mich ohne Probleme in eine Ecke jagen. Dort stand ich nun und hatte keine Zeit mehr nachzudenken. Also hob ich mystisch die Arme und rief: "Bleibt bloß weg, oder ich verbrenne euch auf der Stelle!" Erstaunlicherweise duckten sich die Beiden, selbst die Maid hinterm Tresen schrie um ihr Leben. Die Magie war hier wohl echt gefürchtet. Im Nachhinein kam es mir nicht mehr so klug vor mit etwas zu Bluffen, wofür man mich vielleicht später hängen lassen würde.
Nun gab es leider kein Zurück mehr. Und insgeheim wünschte ich mir tatsächlich ein Zauberer zu sein, der die Beiden mit einem Windstoß durchs Dach blasen konnte.
Mein Blick galt nun erst wieder Aubrey und ich hoffte, dass sie in der Zeit einen Ausweg gefunden hatte, der uns nicht noch tiefer in den Schlamassel brachte.