Alternate Arcaria

Geschickt fing ich den Beutel auf, bereits im Aufstehen begriffen, als Luna zurück kam. Lächelte, nickte leicht und deutete dann aber nur leicht in Richtung Ortsausgang. Musste nicht jeder mit anhören. Erst ein Stück auswärts, die Straße entlang, erklärte ich. „Einen genauen Weg habe ich nicht, aber eine grobe Karte der Umgebung... ohne Straßen, doch ich denke denen zu folgen dürfte deutlich gefährlicher sein. Also einfach querfeldein. Da lang.“ Ich deutete leicht südlich. „Prinzipiell müssen wir einfach um das Gebirge hier herum. Bleibt sich vom Weg her gleich welche Seite, aber im Süden ist auf halber Strecke ein See. Kleiner Umweg, doch wir können da Vorräte aufstocken.“ Bis dorthin wollte ich zumindest kein Lager aufschlagen, mussten wir sehen alles unterwegs aufzustocken.

Ohne zu zögern folgte ich ihm, die Siedlung hinter uns lassend. Niemand kümmerte sich weiter darum, kannten wir hier ja auch niemanden wirklich außer die nette Dame. Vielleicht würden wir den Hof ja wieder sehen, auch wenn es wahrscheinlicher war, das der Ort irgendwann zu gefährlich werden würde und sie doch in eine größere Stadt umzogen. "See klingt gut, wir brauchen Wasser. Leider gabs auf dem Hof wohl niemanden der einen Trinkschlauch oder etwas ähnliches entbehren kann, wir müssen also bis dahin durchhalten." Besser wir kämen vor Einbruch der Dunkelheit an, das Wasser würde uns zusätzlichen Schutz bieten, denn soweit ich wusste konnten diese Dämonen nicht schwimmen. Wir entfernten uns ein gutes Stück von der Straße, doch da wir nicht durch dichtes Unterholz mussten und festes Schuhwerk trugen, war es halb so wild. Die Siedlung war schon lange außer Sichtreichweite, als die Sonne ihren Zenit erreichte. "Also...öhm...Daniel? Erzähl mir was über dich, wir haben nen langen Marsch vor uns. Was hast du für Hobbies? Und sind die Haare echt?", schmunzelte ich etwas vor mich hin, hörte ihm aber dennoch interessiert zu, was er zu sagen hatte.

Mir war ganz recht das sich niemand groß mit uns beschäftigte, traute ich doch nicht jedem. Luna... war irgendwie eine Ausnahme. Wir waren durch dieselbe Gefahr gegangen. Das mit dem Wasser war ein Problem, da bräuchten wir tatsächlich bald einen Trinkschlauch. Den mussten wir uns wohl irgendwie selber herstellen, aber dafür bräuchte es etwas Zeit und ein Lager – erst am See also. Mehr als ein Tagesmarsch entfernt, doch im Wald gab es Früchte, sicher irgendwo auch einen Bach, würden wir schon klar kommen. Ein paar Steine klaubte ich auf dem Weg auf, damit wir uns später die Schutzrunen einrichten könnten. Ging zwar auch direkt in den Boden, doch falls wir auf Untergrund stießen in den man nichts einritzen konnte wollte ich sie lieber bei mir haben. „Klar sind die echt“ entgegnete ich lachend auf ihre Frage. „Seh ich so aus wie jemand der Zeit und Geld darauf verschwendet etwas naturgegebenes zu ändern?“ Wobei ich meine Haare mochte, die helle Farbe perfekt zum färben war, ich auch nicht vorhatte sie abzuschneiden. Nur ein Band für einen Zopf bräuchte ich irgendwann, würde da schon was finden. „Hab nicht wirklich Hobbies – war ein Stück zu beschäftigt einfach... zu überleben. Weiterzumachen.“ Leicht zog ich die Schultern hoch. Mein Leben war nicht so toll gewesen. „Ich bin gern draußen. Laufen. Klettern. Irgendwas bauen.“ Praktisch veranlagt. Das ich Schwierigkeiten hatte zu lesen oder zu schreiben wollte ich nicht zugeben.

"Hey, ich hab schon viele verrückte Sachen gesehen bei Leuten denen ich es nie zugetraut hätte.", erwiderte ich grinsend mit einem Schulterzucken. Missfallen taten mir seine Haare aber nicht. Es durchbrach die stereotypische Denkweise, dass Jungen kurze Haare tragen mussten um "männlich" zu wirken. Und außerdem Normalität hatte mich schon immer gelangweilt. Als er hingegen zu meiner ersten Frage ansetzte zog ich kurz die Augenbraue hoch, ohne es zu offensichtlich darzulegen. "Kann nicht behaupten, das Überleben damals eine große Rolle für mich gespielt hat. Es ist eher ernüchternd wenn man alles hat und doch nichts." Mysteriös zuckte ich wieder mit den Schultern, ohne erkennen zu lassen, ob das jetzt eine Antwort auf seine Darlegung war oder ich einfach nur mit mir selbst sprach. "Aber~", grinste ich, "Trotz dieser Kerkergeschichte hat mir diese Welt jetzt schon mehr Spaß gemacht, als all die Jahre in klein Orléans. Wir suchen uns einfach neue Hobbies." Kichernd legte ich die Hände hinter den Kopf. "Wir könnten als die bösen Schurken Angst und Schrecken verbreiten? Oder wir spielen die weltrettenden Helden? Wonach steht dir der Sinn?", fragte ich lachend, mich etwas zu ihm rübergebeugt. Mir gefiel es so ungezwungen mit ihm zu reden, außerdem verstand er meinen Humor und konnte darüber lachen. Ein Talent das nicht jeder besaß.

Es war nett mal jemanden zu haben den es nicht kümmerte was mit meinen Haaren war. Gab genügend die sich daran störten und ich war es leid Erklärungen auszuweichen. Mein Körper, meine Entscheidung. „Das Gegenteil ist auch nicht so das wahre“ entgegnete ich auf ihre Worte, ebenso an der Wahrheit vorbei redend. Manche Sachen brauchten Zeit. Und ich lächelte als sie sagte wir würden uns neue Hobbies suchen. Das hatte noch keiner gesagt. Klang nach einer neuen Chance und die konnte ich wirklich gebrauchen. So unbedarft wie ich mit ihr auch scherzen konnte, fiel meine Antwort doch ernster aus, blickte ich vorher einen Moment in den Himmel. „Freiheit. Frieden. Das ich... ich sein kann. Ich würd gern irgendwann Musik probieren...“ Der letzte Satz kam dann doch recht leise, etwas dass womöglich nie war werden würde.

"Musik?", wollte ich wissen und schaute ihn an, als wäre ich ein Stück Toast das zu spät aus dem Toaster geholt wurde. "Hmm...ich kann leider nur etwas billiges Keyboard spielen - und auch nicht besonders gut. Aber warum nicht?", grinste ich breit. "Dann steht unser Ziel fest. Wir reisen nach Eriston, ich lerne die Kunst magischer Instrumente und dann gehen wir als wandernde Straßenmusikanten auf Reisen!" Das klang nach Spaß und würde mein Bestreben befriedigen möglichst viel von dieser Welt zu sehen. Sie zu erforschen. Es war also durchaus ein ernstgemeinter Vorschlag. "Kannst du eigentlich ein Instrument spielen? Vorzugsweise eins das man leicht transportieren kann? Oder bist du unser Frontman-Sänger? Glaub mir, meine Singstimme willst du nicht hören - die ist schrecklich.". Ich kam aus dem Redefluss gar nicht mehr heraus, war seit Wochen mal wieder wirklich ausgelassen und fröhlich drauf.

Das sie darauf einging war... irgendwie falsch. Schien mir zumindest so, konnte ich nicht anders als den Blick abzuwenden, bereits ansetzend verschlossen. Auch wenn ich das Thema angesprochen hatte, so war es ein schwieriges. Zwar lächelte ich ob ihrer Zukunftsplanung, doch das konnte ich in jeder Situation, der Unterschied zu einem echten eine Fraktion die man nur sah wenn man mich länger kannte. Aber ich hörte zu. Wagte es nur nicht mir selber Hoffnungen zu machen. „Nein, ich...“ setzte ich an, blickte auf meine Hände. Ballte die Fäuste, die feinen Narben auf Fingern und Handrücken zu alt um auffällig zu sein. „...ich kann nichts so richtig gut.“ Und damit verschloss ich mich dem Thema gänzlich. Zumindest für heute. Es war kaum mehr als ein alter Traum und ich traute der Hoffnung nicht. Mein Selbstbewusstsein war ein Stück weit zu angeknackst dafür. Helfen tat da Bewegung, immer, legte ich deswegen einen Schritt zu bis ich fast schon rannte. Ob sie aufhielt oder langsamer nachkam kümmerte mich dabei weniger, brauchte ich das. Je weiter wir kamen desto besser. Wobei ich schon auf sie warten würde, nicht einfach weglief – einfach Abstand brauchte und mich auspowern musste um die Gedanken zu verscheuchen.

"Aber...", wollte ich entgegnen, hatte nicht mit so einer Reaktion gerechnet. Zumindest war es nicht meine Absicht gewesen die Stimmung zu mindern. Doch bevor ich zuende sprechen konnte, legte er auch schon einen Schritt zu - als würde er flüchten. Etwas irritiert strich ich eine weiße Strähne aus dem Gesicht, folgte ihm aber in einem normalen Tempo. Ich hatte nur diese Kleidungsstücke und wollte am See nicht vollgeschwitzt sein, zumal es eher warme Kleidung war. Zumindest fiel mir dadurch auf, das er einen einzigarten Geruch nach sich zog, fast wie eine Spur, der man folgen konnte. Hatten mich die Dämonen zu einer Art Spürhund verwandelt oder träumte ich grade? Immerhin schien er auf mich zu warten und nicht komplett aus dem Sichtfeld zu verschwinden, dennoch dauerte es etliche Minuten bis ich wieder zu ihm aufgeschlossen hatte. "Verausgab dich lieber nicht zu doll ... wenn wir doch unerwarteterweise fliehen müssen bist du außer Atem.", tadeltete ich ihn etwas, wenn auch nicht mit einer anklagenen Stimmlage, sondern eher, als würde ich einen freundschaftlichen Tipp geben. Fürs erste entschied ich mich jedenfalls diese Musik Geschichte nicht mehr anzusprechen, vielleicht würde er von sich aus auf mich zu kommen oder ich würde ihn wieder darauf ansprechen wenn wir uns länger kannten.

Es war nicht Lunas Schuld. Und irgendwann würde ich es ihr sicher erklären oder sie es selbst herausfinden, nur jetzt war nicht richtig. In all den Jahren war nie der richtige Moment gewesen. Als es besser war stoppte ich, wartete auf einer Hügelkuppe auf sie. Nicht dass ich ihr irgendwas versprochen hatte, doch allein dass wir gemeinsam geflohen waren verband uns. Auf ihren Tadel hin schnaubte ich nur leicht. „Ich kann das ein paar Tage lang ohne mich zu überanstrengen.“ Was schon im Widerspruch zu meiner Aussage stand dass ich nichts konnte, ich meine Stärken entweder nicht sah oder nicht für wichtig hielt. „Ich brauch das“ entgegnete ich noch leiser, eine halbe Erklärung für mein Verhalten. Und trabte dann auch gleich wieder los. Nicht so schnell wie vorher allerdings, mich öfter nach ihr umsehend.

Ich zuckte mit den Schultern, nahm seine Aussage für gegeben hin. Immerhin war es ja seine Entscheidung und wenn er sagte er würde das länger durchhalten, hielt ich ihn natürlich nicht davon ab. Doch statt wieder langsam hinterher zu schlendern, zog ich mir die Jacke aus, sodass das weiße Hemd darunter zum Vorschein kam und band sie mir um die Hüften fest zusammen. Die Ärmel hochgekrempelt nahm ich kichernd die Verfolgung auf. "Ich bin vielleicht etwas aus der Übung, aber niemand soll sagen das Mädchen nicht auch sportlich sein können. Außerdem etwas Konditionstraining kann nicht schaden." Womit ich meinen Tadel negierte und mich selbst nicht mehr daran hielt, sondern einfach locker sein Tempo hielt. Ich konnte das sicher keine Tage aushalten, aber ich war schon öfters Mal zwei, maximal drei Stunden gejogged. Sollte jetzt keine großartigen Probleme darstellen, solang er keine Marathon Geschwindigkeit aufnahm...und wir bald eine Wasserquelle fanden.

Es war nett dass sie es einfach hinnahm, konnte ich dieses Verhalten doch schlecht abschalten. Außerdem schadete es niemanden, brauchte ich einfach nur die Möglichkeit dazu. Und ich lächelte schon wieder als sie entschloss mitzumachen. „Ich sag das sicher nicht. Spielt doch keine Rolle ob du ein Mädchen, Junge oder sonstwas bist...“ Zumindest nicht was Sport anging. Jeder konnte laufen und ich ging es deswegen auch nicht leichter an, achtete nur darauf dass da jetzt ein Team war und wir uns nicht in die Quere kamen. Auf dem Weg hielt ich auch weiter Ausschau nach Wasser, soweit das eben möglich war, hielt dann aber nur plötzlich an und hob einen Apfel vom Boden auf – der war zwar halb zermatscht, aber wo einer war befand sich meistens ein Baum und Obst würde auch Flüssigkeit liefern.

Während wir liefen, zog die Umgebung gut an uns vorbei und obwohl ich immer noch nicht komplett fit war, hielt ich für den Anfang recht mühelos Schritt. Erst als der Junge zum stehen kam und etwas vom Boden aufhob, gönnte ich mir auch eine Pause und versuchte zu erkennen was er da in der Hand hielt. Ein Apfel? Als hätten wir die selbe Idee schaute ich mich um und entdeckte sogleich den Übeltäter, ein Apfelbaum, unweit von uns entfernt. "Bevor du jetzt da hoch kletterst, überlass das mal dem Profi.", grinste ich vorfreudig und hielt eine Hand dem Baum entgegen. Etwas kleines, eine Art Symbol, die ich als Rune kannte, bildete sich am Ende eines Astes direkt am Stamm. Sofort begann sich der Ast heftig zu schütteln, und wie durch Geisterhand wurden wir mit Äpfeln bombadiert. Da der Großteil ohnehin weiter weg landete, bestand ohnehin keine Gefahr davon erschlagen zu werden. Ein paar zerplatzen an kleinen Felsen, doch der Rest landete recht unbeschadet im Gras. Begeistert hob ich einen davon auf, rieb ihn an meinem Hemd sauber und biss hinein. "Magie ist toll! Warum hatten wir sowas nicht in der anderen Welt?", lachte ich leicht, die Tatsache ignorierend, das ich ihm eigentlich nicht so schnell zeigen wollte, dass ich ein wenig Runenmagie beherrschte.

Protestieren konnte ich gar nicht so schnell wie sie mit Magie anging was keine gebraucht hätte, seufzte ich nur bei ihrer Demonstration und begann die guten aufzulesen. „Weil es auch ohne geht und vorallem ohne dass welche kaputt gehen, wir viel mehr haben als wir brauchen, ohne durch alles nach den guten sortieren zu müssen und vorallem ohne Energie zu verschwenden die man vielleicht gar nicht mehr hat und die einen umbringen könnte?“ Zumindest bei mir war das der Fall, hatte ich diese Runen allerdings auch noch nie ausprobiert. Wollte nicht zugeben dass schon die simple Barriere mich an die Grenze meines Verständnisses brachte.

Etwas spaßig abwehrend hob ich die Hände nach oben. "Keine Panik auf der Titanic.", erwiderte ich grinsend. "Ein kleiner Motionzauber hat noch nie versucht mich umzubringen. Davon abgesehen, wen kümmert ein paar Äpfel? Die Tiere werden sich schon dran bedienen und wenn nicht, dann holt es sich eben die Natur irgendwann zurück.", meinte ich schulterzuckend. Aber auch wenn es danach klang, dass ich noch viel mehr Zauber beherrschte, war diese Rune schon fast das Höchste der Gefühle. Runen waren wie eine Sprache und ich hatte grade mal begonnen an der Oberfläche zu kratzen. Runen, die in Verbindung mit Pflanzen genutzt wurden, schienen mir aber leichter zu fallen - vermutlich wegen ... nun nicht so wichtig. "Wir sollten weiter. Wäre mir lieber den See vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen.", meinte ich, und nahm den letzten Bissen, ehe ich den Kern samt Stängel etwas unachtsam auf den Waldboden fallen ließ. Welche Mitzunehmen überließ ich jedoch Daniel - immerhin hatte er den Rucksack und er hatte zumindest recht damit, das wir nicht allzu viele davon brauchten.

Bei ihrer kleinen Rede blieb ich still. War nicht so dass ich ihr die Magie missgönnte, ohne irgendwelche eigene musste ich nur anders denken. Die gefallenen Äpfel bedeuteten auch dass jemand anders womöglich nicht aufstocken konnte und es war leicht zu sehen, dass jemand hier durchgekommen war. Sollte uns jemand folgen... ich war die leichte Paranoia nicht so recht losgeworden. Nicht so sicher ob wir den See heute erreichten packte ich so viele Äpfel in den Rucksack wie ging, hatten wir ja auch sonst kaum Proviant. Aber so nah war der See nicht, rechnete ich durchaus mit einer Nacht im Freien. Vollgepackt folgte ich ihr, nun auch nicht mehr rennend, sondern einfach nur flott marschierend.

Sein Schweigen nahm ich als Akzeptanz hin und sprach die Situation nicht weiter an. Obwohl wir einen zügigen Schritt hinlegten und die erste Strecke schließlich auch schnell gelaufen waren, ging die Sonne unter ohne das wir auch nur einen See zu Gesicht bekamen. "Sicher das wir auch richtig gelaufen sind?", wollte ich unterwegs wissen, als ich Ausschau nach einem geeigneten Lagerplatz suchte, bevor die Sonne ganz verschwunden sein würde. Letztendlich fand sich eine kleine Felsformation unweit eines kleinen Waldstücks, der genug Schutz bieten könnte, wenn wir an dessen Fuß unser Lager aufschlugen. "Denke hier können wir die Nacht verbringen. Wir sind zwar etwas an die Wand gedrückt, aber immerhin kann man uns nicht von allen Seiten angreifen." Mit dem Schuh fegte ich etwas den Boden frei, welcher teilweise aus massiven Fels bestand. Wir würden uns nen Untergrund basteln müssen oder eine Stelle auswählen an denen der Boden nicht allzu uneben ist. "Du hast doch ein Messer mitgehen lassen oder? Kann ich das kurz haben? Dann ritz ich uns einige Schutzrunen in den Fels - damit sollte ungebetener Besuch heute abend draußen bleiben.", erklärte ich, unsicher ob er schonmal von den Schutzrunen gehört hatte, ich selbst war schließlich auch nur durch Zufall auf die Runen gestoßen - wobei es schon fast unmöglich war sie in einer größeren Stadt nicht zu bemerken.

„Wir können nicht viel falsch laufen“ entgegnete ich mit einem Schulterzucken. Die Karte nach der ich ging war auch nicht gerade genau gewesen, besonders was Entfernungen anging. Alles was ich wusste war dass wir immer noch in die richtige Richtung gingen und da würde sie meinem Bauchgefühl einfach vertrauen müssen. Persönlich wäre mir das Waldstück als Lager lieber gewesen, doch nach dem letzten Mal setzte auch ich Schutz vor Komfort. „Du wirst nicht mein Messer an Felsen abwetzen!“ protestierte ich allerdings. „Such ein paar Holzstücke die wir eingraben können, wir brauchen sowieso noch Feuerholz.“ Ich unterdessen stellte den Rucksack in einer Ecke ab und wand mich ebenfalls dem Wald zu. Mit etwas Glück erwischte ich noch irgendein Tier dass wir braten könnten.

"Dein Messer?", grinste ich ihn hämisch an, zeigte aber keine ablehnende Haltung seiner Aufforderung gegenüber. "Zu Befehl, Chef." Und damit legte ich das Bündel mit der Decke neben seinem Rucksack ab und machte mich auf den Weg in den Wald. Das Lager nie aus der Sicht verlierend, sammelte ich soviel trockenes Holz wie ich eben Tragen konnte und stapelte es in der Mitte des Lagers auf. Da ich in den festen Fels kein Loch graben konnte, begrenzte ich das ganze schlicht mit einem Ring aus Steinen. Ein Waldbrand war wirklich das letzte, das wir hier gebrauchen konnten. Anschließend kniete ich mich hin, konzentrierte mich und schaffte es mit einer Rune einen Funken zu erschaffen, der wiederrum etwas trockenes Moos entzündete und auf das Holz übersprach. Kurz aufkeuchend wischte ich mir den Schweiß von der Stirn. Feuermagie war die anstrengendste Form der Runenmagie, die ich bisher probiert hatte und sie aus dem Verstand zu zaubern war nochmal um einiges komplizierter, als die Rune aufzuzeichnen. In der nächsten Stadt musste ich mir definitiv einen Kohlestift oder Kreide besorgen. Mit etwas Puste half ich dem glimmenden Feuer dabei zu wachsen, was einige Zeit in Anspruch nahm.

Da ich es geklaut hatte war es auch mein Messer, außer sie brauchte es wirklich. Wenigstens funktionierte die Teamarbeit zwischen uns ohne große Diskussionen, was hier draußen auch durchaus wichtig war. Anders als Luna entfernte ich mich weiter und erlegte aus der Not heraus schließlich zwei Eichhörnchen. Besser als gar nichts. Ihretwegen bereitete ich die abseits des Lagers auch bereits vor, gehäutet und ausgeweidet, brachte die Fleischklumpen auf zwei Stöcken zurück. „Oh du hast es schon angezündet... gut. Können wir gleich Essen machen. Gegen ein bisschen Braten hast du sicher nichts einzuwenden?“ Brauchen würden wir die Energie morgen, auf dem Rest des Weges. Dafür winkte am See Fisch und die Chance uns besser vorzubereiten bis zur Hauptstadt.

Als Daniel aus dem Wald spaziert kam, brannte das Feuer bereits in vollen Zügen und ich saß entspannt daneben, ein paar Äste studierend. "Fleisch?!", grinste ich gierig, als mein Blick hungrig auf die Spieße fiel. Ich schlug die Hände zusammen und ließ dabei den Ast eher unachtsam auf den Felsboden gleiten. "Ein Festmahl! Aber zuerst die Runenbarriere...", entschied ich und hob die Äste wieder auf, um sie Daniel zuzuwerfen. "Dein Messer, deine Aufgabe - ich kümmer mich solange ums braten.", kicherte ich geschwind und setzte mich wieder ans Feuer, damit ich gut an die Spieße rankommen würde. Verbrennen lassen wollte ich sie schließlich nicht. "Wo hast du eigentlich jagen gelernt? Bei den Pfadfindern? Oder gehört das zu dem Teil mit dem Überleben?", wollte ich wissen, ohne mich über diesen Punkt lächerlich zu machen.

Etwas unruhig machte mich ihr Blick angesichts des Fleisches schon, wich ich einen Schritt zurück. Unbewusst, denn erklären könnte ich es nicht. Aber ich machte auch kein Theater, fing die Stöcke geschickt auf und reichte ihr im Gegenzug die Spieße. Viel falsch machen konnte man beim Braten über offenem Feuer auch nicht. „Eher letzteres...“ entgegnete ich, vorsichtig, war meine Vergangenheit doch ein wunder Punkt. Sollte sie inzwischen schon herausgefunden haben und meinte ich meine Verschwiegenheit über manche Punkte auch nicht böse. Aber keiner musste wissen wie oft ich hatte Hungern müssen um das zu lernen was ich jetzt konnte.

"Ziemlich nützlich und das von jemanden, der behauptet talentfrei zu sein.", entgegnete ich lachend, ging aber im Anschluss nicht weiter darauf ein. Es war offensichtlich das ihm das Thema eher unwohl auf den Magen schlug. Ergo wittmete sich mein Interesse wieder den Spießen am Feuer und achtete darauf, dass das Fleisch schön knusprig wurde und an keiner Stelle anbrannte. Grillen über offenen Feuer war zwar etwas ungewöhnlich, unterschied sich vom normalen Grill aber jetzt auch nicht sonderlich stark. Der Geruch stieg mir extrem stark in die Nase und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Kaum hielt ich das Fleisch für durch, nahm ich den Spieß vom Feuer und biss ein Tick zu gierig hinein, nur um schließlich etwas schmerzhaft das Gesicht zu verziehen und wie ein verletztes Tier vorsichtig dagegen pustete. "Schmeckt gut!", erklärte ich freudig und schaut zu Daniel, interessiert wie er die Runenbarriere aufgebaut hatte.

Was das talentfrei anging murmelte ich nur etwas unverständliches darüber wie die Gesellschaft das etwas anders sah. War ja auch so. Spätestens wenn rauskam dass ich kaum lesen konnte war ich unten durch, abgestempelt ohne gefragt zu werden. Hier hatte ich wenigstens die Chance keinem etwas zu sagen und mich direkt zu beweisen. Und zu vertrauen. Selbst wenn das erstmal nur darin bestand ihr das Fleisch zu überlassen und mich an die Runen zu machen. Die setzte ich genauso auf wie schon als ich allein gereist war – geritzt in Stöcke, die dann mit Steinen an allen Enden vor verrutschen gesichert wurden. Würde schon reichen. Das Feuer und genug Platz zum Schlafen umschloss es jedenfalls, die Barriere so sicher wie es mit der simpelsten Variante eben ging. Reichte jedenfalls völlig für uns. Und die Schnitte waren sauber, alles ordentlich platziert. Abgesehen von einem heftigen Sturm würde das bleiben wo es war.

Simple war noch die positivste Bezeichnung für die Runenbarriere. Durch die Wölbung der Äste verloren die Runen an Kraft und sie waren auch nicht perfekt aufgestellt, dennoch würden sie als Provisorium reichen müssen. Solange keine ganze Horde gegen die Barriere knallte, so mutmaßte ich, waren wir wohl sicher. Ich wartete geduldig bis er fertig war und überreichte ihm seinen Grillspieß. Mein eigenes Eichhörnchen verputzte ich in Windeseile, nagte die Knochen bis auf das letzte Stück Fleisch ab und lehnte sie an den Rand des Lagerfeuers. "Hey, Survivalexperte. Kann man aus den Knochen hier nicht irgendwas scharfes schnitzen? Wäre doch besser als gar keine Waffe.", wollte ich von ihm wissen - kannte mich da eher weniger aus und in Anbetracht dessen, das wir nur ein Messer besaßen, hielt ich eine zusätzliche, wenn auch improvisierte Waffe, für sinnvoll.

Natürlich war mein Schutz alles andere als perfekt, hatte man mich ja auch irgendwie gefangen. Es fehlte einfach noch das Vertrauen es jemand anderem zu überlassen, besonders wenn das bedeutete meine einzige Waffe aufzugeben. Gemütlich aß ich dann erstmal, wusste dass wir jedes kleine bisschen brauchen würden. Aber so gern ich ihre Frage nach einer Waffe beantworten würde, konnte ich nur leicht den Kopf schütteln, stupste einen der Knochen, dünn und kaum so lang wie mein Finger an – dass war das größte was wir hieran hatten. „Zahnstocher, falls dich das irgendwie beruhigen würde...“ wobei das nicht mal schnitzen bräuchte, draufbeißen reichte schon. „Versuchs mit nem spitzen Stein zum zuschlagen.“ Was besseres konnte ich ihr gerade nicht bieten. Am See wurde es hoffentlich besser, doch für heute konnten wir nur schlafen und hoffen. Wache halten würde uns morgen zu müde machen.