Alternate Arcaria

Mein Blick wanderte erst zu dem Jungen, ich wollte ihm keine falschen Hoffnungen machen, ihn aber auch nicht Verängstigen. Ich seufzte und schaute zu Daniel: "Du hast recht. Wir finden schon was." In meinen Augen war klar abzulesen, dass ich meine Zweifel hatte, doch wir hatten ohnehin keine große Wahl. "Es dauert noch bis es dunkel wird. Wir sollten versuchen in die Stadt zu kommen und wenn wir bis heute abend nichts finden, sollten wir außerhalb ein Lager aufschlagen." Genug Zeit um die Akademie aufzusuchen, oder sich zumindest nach etwas Arbeit umzusehen, die uns durch den Tag brachte. Und mit diesen Worten verließ ich das Wasser, trocknete sie leicht im Gras, ehe ich Strümpfe und Stiefel wieder anzog. Letzteres waren zwar durchgelaufen, doch ich hielt es für wichtig einen guten Eindruck zu machen und wer wusste schon wie sinnvoll Barfuß in einer Stadt war. Essen wäre unser nächstes Problem, doch auf dem Weg zur Stadt fanden wir einen Apfelbaum. Auf die Gefahr hin, dass dieser jemanden gehörte, riskierten wir es uns einige mitzunehmen. Wir hatten zwar noch Vorräte, doch es war sicher besser diese nicht direkt aufzubrauchen. Außerdem waren wir im Wald immer noch etwas geschützter vor neugierigen Blicken.

Nach gut einer weiteren Stunde Fußmarsch erreichten wir das Dorf. Ein Bauerndorf durch und durch, unsere Ankunft wurde nichtmals bemerkt. Ochsenkarren wurden über die Wege gezogen und alles machte einen wirklich friedlichen Eindruck. Als wären die Dämonen niemals hier gewesen. Und vermutlich waren sie das auch nie. "Ich schätze der Tunnel dort hinten im Berg führt zur Brücke da oben." Von nahem war die hochgelegene Brücke einfach nur beeindruckend. Sie war gänzlich aus Stein gebaut und an den Pfeilern ragten gewaltige Schutzrunen. Ein Bollwerk, vermutlich einer der sichersten Orte im ganzen Land. Die Flüchtlingssituation wollte ich mir gar nicht ausmalen.

Gerne würde ich ihnen sagen dass es leichter wäre in der Stadt ein Lager zu finden – wenn man nur seine Ansprüche heruntersetzte. Weit. Ich konnte das, Luna wahrscheinlich auch selbst wenn ich befürchtete es würde sie an finstere Orte zurück versetzen, aber dem Jungen wollte ich das nicht antun. Er hatte schon alles verloren und musste nicht noch auf der Straße landen. Aber ehrlich gesagt würde ich Luna lieber die Organisation hier überlassen, wissend dass meine Stärke eher anderswo lag. Ich konnte ewig durchhalten und war gut darin aus nichts irgendwas zu finden, aber ein Zuhause aufbauen konnte ich nicht. Wusste nicht mal ob ich es hier schaffen würde irgendwo zu bleiben, sah bisher wenig Anreiz dazu.
Aber erstmal in die Stadt. Abgesehen davon dass ich die Sicherungen aufmerksam beobachtete, mir bereits ausmalte wie man wieder raus kommen könnte. Und dann plötzlich stehen blieb, den Blick fixiert auf den Tunnel, das blau durchwebt von silber. „Tut er...“ murmelte ich abwesend. „Über die Brücke, in die Stadt, zu den Häusern...“ Abschweifend verlor ich mich in irgendwas dass mehr aus Gefühl als tatsächlicher Wahrnehmung bestand.

Mir fiel Daniels komisches Verhalten relativ schnell auf, schob es jedoch auf die lange Reise und vergangener Geschehenisse. Mit einer normalen Kindheit wäre ich wohl selbst bereits vollkommen durch im Kopf. Lässig klopfte ich deshalb Daniel auf die Schulter, versuchend ihn aus seiner Starre zu lösen. "Mach dir keine Sorgen. Das wird ein Kinderspiel.", bemerkte ich und schob die beiden Jungs vor in Richtung des Tunnels. Die Wachen am Eingang, stramm stehend mit polierter, roter Rüstung, würdigten uns keines Blickes. Für sie schienen wir wohl nur eine Gruppe von vielen zu sein. Der Aufstieg der Treppen erforderte noch einmal einige Kraftreserven. Wandern war eine Sache, aber Treppensteigen war wirklich eine Qual. Oben angekommen, erkannte man das wahre Ausmaß der Verteidigungsanlagen. Auf der Mauer waren dutzende Bogenschützen, Soldaten maschierten die Brücke auf und ab, während gewaltige Runensätze den Boden und die Mauern schmückten. Viele der Bedeutungen waren mir fremd, auch wenn ich einige aus dem Runenschutz wiedererkannte. Hier würde sicher kein Dämon ungesehen hinein kommen.

Doch kaum hatten wir die Hälfte der Brücke erreicht, leuchtete plötzlich eine Rune unter meinen Füßen stark auf. Sofort war ich nicht mehr in der Lage mich zu bewegen, geschweige denn auch nur einen Finger zur rühren. "W-was zum...", bekam ich grade noch heraus, als uns Soldaten mit langen Speerwaffen umzingelten und das spitze Ende auf uns richteten. "Geb euch zu erkennen, Dämon. Es ist sinnlos eure Tarnung hier aufrecht zu erhalten." Ein Hauptmann, zumindest anhand der prunktvollen Kleidung war es zu erkennen, trat vor und musterte mich argwöhnisch. Es lag auf der Hand, das er mich ansprach. "Das...ist ein Missverständnis. Ich bin kein Dämon!"

Mit einem Moment Verzögerung zuckte ich bei dem Schulterklopfer zusammen, blinzelte einige Male ehe das silbrige verschwunden war und folgte, die ersten Schritte noch fast wie in Trance. Was genau gewesen war könnte ich nicht erklären, würde mich später kaum an den Moment erinnern. Zumindest war ich recht schnell wieder normal und aufmerksam, die Umgebung genau beobachtend. Und nahm den Jungen ein Stück Treppe wieder huckepack, problemlos rennend trotz des Zusatzgewichts – einfach damit er mal wieder einen Moment Spaß hatte und die Situation vergaß.
Nie hätte ich erwartet dass uns etwas aufhalten würde nachdem wir bereits das Tor problemlos passiert hatten – und schon gar nicht, dass die Runen auf Luna reagierten. Dass sie ein Dämon war hatte ich in der ganzen Zeit sicher nicht mitbekommen. Und ich zögerte auch nicht mich mit ausgebreiteten Armen zwischen sie und den Hauptmann zu stellen. „Sie ist kein Dämon! Ich reise seit Wochen mit ihr!“ Kleine Lüge, aber es war schon mehr als eine Woche, also zählte es wohl.

"Ich bürge für das Mädchen.", sagte plötzlich eine ruhige Stimme von hinter uns. Eine Person, gekleidet in einem langen beigen Mantel, die dunkelbraunen Haare leicht zerzaust, drängte sich zwischen uns durch zum Hauptmann vor. Er hatte die Hände lässig in die Manteltaschen gesteckt, weshalb ich nur durch Zufall einen kurzen Blick auf die Bandagen an seinen Händen werfen konnte. "Aber, Mylord. Die Runen irren sich nicht." Der Fremde hob die Hand und die Rune unter mir hörte auf zu glühen und ließ mich überraschend frei. Etwas stolpernd behielt ich recht knapp das Gleichgewicht. "Danke", murmelte ich immer noch leicht verwirrt, aber froh darüber wieder frei zu sein. "Offenkundig ist sie kein ganzer Dämon. Ich wüsste nicht warum man sie nicht einlassen sollte." Der Hauptmann seufzte, machte eine Handbewegung und die Gruppe an Wachen löste sich auf, um sich wieder ihrem Dienst zu wittmen. "Wie Ihr befehlt." Eindringlich starrte er mich an, ehe er sich vorbei schob und ebenfalls den Dienst wieder aufnahm. "Ihr müsst dem Hauptmann verzeihen, er ist berechtigterweise um die Sicherheit der Stadt besorgt und neigt dazu vorschnell zu handeln. Was bringt euch drei nach Eriston?", fragte der junge Mann schließlich mit einem schwachen Lächeln im Gesicht. Ob er wohl zum Adel gehörte? Immerhin hatte der Hauptmann ihn mit "mylord" angesprochen.

Da mein ganzer Plan daraus bestand die Wachen zu bekämpfen bis wir allein waren und einen Weg finden konnten Luna zu befreien – und wenn ich diese Runen persönlich aus dem Stein schneiden musste – ließ ich die Sache mit dem Fremden zunächst laufen, hatte nur schnell einen Arm an Lunas Arm um sie vom Fallen abzuhalten. Trotzdem behielt ich meinen Standpunkt ein Stück vor ihr bei. Der Junge hatte bei der Reaktion der Wachen versucht wegzulaufen, verständlich bei seiner Vorgeschichte, wurde aber aufgehalten und schlich jetzt zurück zu mir. Ich zögerte nicht einen Arm um seine Schulter zu legen, als stille Versicherung dass alles ok sein würde, irgendwie. „Der Weg.“ entgegnete ich kühl. „Und nun da der kleine Zwischenfall geklärt ist, sollten wir den doch ungestört fortsetzen können?“ Am liebsten hätte ich ihm direkt gesagt, dass es ihn nichts anging. Die ganzen Runen auf der Brücke machten mich nervös, als ahnte ich dass da eine wäre die auch auf mich reagieren würde.

Der junge Mann lachte auf die Reaktion von Daniel. "Natürlich, ich werde euch nicht weiter belästigen. Aber bevor ich es vergesse ... junger Herr, nicht erschrecken, wenn der Eintritt in die Stadt ein unangenehmes Gefühl hervorruft. Die Barriere verhindert, dass sich Weltenwanderer direkt in die Stadt teleportieren können. Oder heraus." Er machte eine leichte Verneigung und setzte mit seinem Tempo einen Schritt zu, die Brücke entlang. Ich schaute der ganzen Szenerie von hinter Daniel etwas perplex zu. Weltenwanderer? Nannte man so die Leute mit Teleport Fähigkeiten so wie Daniel? Aber woher wusste er davon? Er hatte sich das letzte Mal seine Kräfte beim Dämonengefängnis angewendet, ein ganzer Wochenmarsch von hier entfernt. Und wer war dieser Typ überhaupt ... vielleicht hätte man nach seinem Namen fragen sollen. "Diese Stadt ist mir jetzt schon unheimlich." Mein Blick richtete sich auf den Jungen, der sich etwas verängstigt an Daniels Mantel festkrallte. Der Anblick von bewaffneten Männern hatte ihn sicher ziemlich schockiert, besonders nachdem was in seinem Dorf passiert war.

Die Antwort schockte mich auch ein ganzes Stück, gerade weil ich meine Fähigkeit seit Tagen nicht angewandt hatte, geschweige denn irgendwo nahe jeglicher anderen Person. Er sprach etwas an, dass ich niemandem gegenüber erwähnt hatte, dass es sich komisch anfühlte hier auf der Brücke zu stehen. Ich wusste selber nicht mal was ich war und Weltenwanderer klang nach... mehr. Mehr als das was ich konnte. „Mir ist unheimlich, was die wissen“ murmelte ich nur, setzte dann an weiter zu gehen, den Jungen sanft leitend. „Gehen wir bevor die es sich noch anders überlegen.“ Ich hatte keine so guten Erfahrungen mit Authorität jeglicher Art und ging dem lieber aus dem Weg bevor etwas passierte.

"Schätze, das ist normal in einer Stadt in der es vor Magier nur so wimmeln soll.", mutmaßte ich, dem Mann hinterherschauend, ehe er um eine Ecke hinter dem gewaltigen Haupttor bog und verschwand. Er kannte sich sicher mit Magie aus, auch wenn ich nicht sagen konnte ob er selbst ein Magier war. Ich nickte auf Daniels vorschlag und zusammen setzten wir den Weg fort, ohne nochmals von den Soldaten behelligt zu werden. Die Luft vibrierte kurz als wir über die Torschwelle schritten, als hätten wir eine unsichbare Barriere durchquert. Kurz abgelenkt, schaute ich mich schließlich um. Die Hauptstraße schien ins Zentrum zu führen, während verschiedene Gassen von der Hauptstraße abzweigten. Ein ganzes Stück Wegstrecke entfernt ragten große Gebäude und Türme am Ende des Tals in die Höhe. Eins davon war sicher die Akademie, oder zumindest ein Regierungsgebäude wo wir nachfragen konnten. "Sollen wir direkt zur Akademie?" Es war zumindest unser bester Clue, auch wenn ich weiterhin für Vorschläge offen war. Wenn wir dort abgelehnt werden würden, standen wir auf der Straße - ohne Geld oder sichere Unterkunft.

Magier... ich war vorher nie vielen begegnet. Jedenfalls nicht bewusst. Und das war auch nicht was mir Sorgen machte, war ich vorher schon in Städten gewesen ohne dieses seltsame Gefühl. Ein bisschen machte ich mir auch Gedanken dass ich uns nicht hier rausbringen konnte, sollte etwas schief gehen. Zumindest mich und Luna, ob ich es überhaupt verkraften würde den Jungen noch mitzunehmen war fraglich. Für wen ich mich im Zweifelsfall entscheiden musste wusste ich nicht. Bei der Barriere zuckte ich merklich zusammen, hielt einige Herzschläge lang die Luft an und hoffte dass ich nicht so oft durch müsste. Fühlte sich nicht so an als wäre das hier der richtige Ort für mich – allerdings war das auch noch nie der Fall gewesen, nur etwas wonach ich seit Ewigkeiten suchte. Angesichts der Akademie dachte ich einen Moment nach, den Kopf leicht schief gelegt, der Blick über die Stadt schweifend. Lauschte auf dieses andere Gefühl, dass mich sicher Wege finden ließ, selbst in dieser fremden Landschaft. „Ja“ entschied ich, überließ den Vortritt aber Luna. Sie musste uns da reinbringen.

Ich nickte und übernahm die Führung durch die Stadt. Je weiter wir auf das Zentrum zu kamen, desso voller wurden die Straßen. Ladengeschäfte priesen links und rechts von der Straße Waren an. Kaum zu glauben welche riesige Auswahl es gab, obwohl hier doch eher mittelalterliche Zustände herrschten. Nun die Antwort darauf war recht schnell gefunden, hing an fast jeder Wand ein großes, dekoratives Plakat mit der Aufschrift: "Werdet noch heute Teil der Träumergilde und gestalted die Zukunft neu!" Träumer? Ich wusste aus Gesprächen vor meiner Gefangenschaft, das man so Leute nannte die aus einer anderen Welt kamen, Leute wie Daniel und eben ich selbst. Die Masse an Bevölkerung nahm am Marktplatz im absoluten Zentrum dann noch einmal rapide zu, auch wenn der gewaltige Platz dafür sorgte, dass man dennoch ohne Stau voran kam. So überquerten wir also den Markt, etwas traurig kein Geld zu besitzen, ehe wir die ersten Stufen hinauf zur Akademie gingen.

Die Akademie selbst war halb in einen Berg eingelassen und ähnelte mehr einer Kathedrale. Vor dem Gebäude standen bewaffnete Wachen, die uns auch sofort aufhielten, als wir näher kamen. "Zutritt nur für Magier. Was wollt ihr?", fragte der Soldat etwas schlecht gelaunt. Die Augenringe in seinen Augen deuteten zumindest daraufhin, das wir eine Person erwischt hatten, die sicher jeden Moment ihren Schichtwechsel erleben durfte. "Wir wollen in die Akademie aufgenommen werden." Er schnaufte und deutete auf ein kleines Gebäude direkt an die Akademie eingrenzend. "Meldet euch da am Empfang." Und ohne große Worte ging er wieder in Stellung. Ich bedankte mich und führte unsere kleine Gruppe direkt hinein. Das kleine Gebäude wirkte recht gemütlich und bestand ersteinmal nur aus einem Eingangsbereich mit einem großflächigen Pult voller Bücher und Pergamentrollen. Eine etwas ältere Frau, mit einem Monokel in einer Hand ein Stück Pergament lesend, blickte erst auf, als die schwere Außentür ins Schloss fiel. "Neue Studenten was? Ihr habt Glück." Sie schnaufte. "Kommt heute Abend wieder sobald die Sonne untergangen ist. Es werden einmal wöchentlich Prüfungen abgehalten, wenn ihr also heute abend nicht kommt, müsst ihr es nächste Woche wieder versuchen." Sie wedelte mit den Händen um uns hinaus zu jagen. "Und lasst den Jungen zuhause. Zutritt erst ab 14 Jahren." Und damit standen wir wieder draußen, früh am Nachmittag. Ich blickte kurz zu dem Jungen und seufzte. "Wir brauchen einen Ort um Jakob unterzubringen. Und wenn auch nur vorrübergehend. Ideen?", murmelte ich. Wir konnten ihn ohnehin nicht ewig mit uns mitnehmen.

An Geld dachte ich trotz der Geschäfte kaum, blieb nur einen Augenblick an ein paar Musikinstrumenten hängen, resigniert darüber sowieso nie eins bekommen zu werden. War einfach nicht bestimmt zu sein. Sowieso hatten wir ja einen Plan, ruhte meine Hoffnung auf Luna. Ich war doch nutzlos mit Magie und Lernen sowieso, hielt mich zurück und kümmerte mich um Jakob. Der recht deutlich abgewiesen wurde, da zu jung. Nur... wohin sonst? Leicht nickte ich bei ihren Worte, nahm das aber selber in die Hand. „Gib mir eine Stunde. Sucht euch was zu essen und wartet dann am Markt – ich kläre das.“ Keine genauen Angaben, wollte ich den Jungen nicht verunsichern, war dieser Weg doch kein leichter... aber ich hatte es auch durch. Irgendwie ging es weiter. Hier würde es schon ein Heim, ein Internat geben, dass ihn aufnahm, ich musste nur sehen dass ich es richtig einfädelte, die Verantwortung übernahm.

"Ist gut.", meinte ich, wollte nicht widersprechen. Wenn er einen Weg kannte, musste ich ihm vertrauen, außerdem sollte der Junge nicht denken, das wir wegen ihm uneinig waren. Wo wir allerdings Essen herbekommen sollten war mir schleierhaft. Ich hatte immer noch kein Geld, weshalb wir wohl auf die Vorräte zurückgreifen mussten. Für den Fall der Fälle hatten wir sie zwischen uns aufgeteilt, damit wir nicht aufgeschmissen waren, falls einer seine Tasche verlor. Eine Hand auf den Rücken des Jungen gelegt, sanft lächelnd, führte ich ihn zurück zum Markt. In der Nähe von Kindern fühlte ich mich immer noch unwohl, aber ich würde das schon schaffen. Am Markt selbst setzten wir uns auf ein paar Holzkisten, die grad keiner zu brauchen schien. "Hier iss.", meinte ich und reichte ihm etwas Trockenfleisch mit Brot. Ich selbst aß nur etwas von dem Käse, bemerkend das unsere Vorräte nicht mehr ewig hielten. Hoffentlich würde Daniel etwas finden.

Zuständige Häuser zu finden war nicht die Schwierigkeit, aber eins zu haben dass einen abwesenden Jungen ohne Vorleistung oder lebenslange Verpflichtung aufnahm, dass war die Herausforderung. Aber es war möglich – mit einigen Überredungskünsten und Versprechungen, von denen ich mir zwar recht sicher war sie halten zu können, aber wusste dass es wenn nicht dem Jungen das Leben schwer machen würde und ich ihm nicht meinen Weg als Alternative antun wollte. Jedenfalls kam ich pünktlich zurück, direkt auf die beiden zusteuernd, ein zuversichtliches Lächeln aufgesetzt. Auf Essen verzichtete ich, hockte mich stattdessen zu dem Jungen und erklärte ihm ruhig und einfach wie es jetzt ging: ich würde ihn jetzt zu einem Ort bringen, wo er bleiben konnte, versorgt wurde, lernen konnte. Eine Zukunft hatte. Ein letztes Mal nahm ich ihn an die Hand, führte ihn zu dem Gebäude, übergab an die freundliche Erzieherin. Ich versprach ihm nicht wiederzukommen, nur dass sich um alles gekümmert werden würde. Erst nach dem Abschied, bereits ein Stück auf dem Weg zur Akademie, seufzte ich und ließ die Fassade ein Stück weit fallen. „Bringen wir den Spaß schnell hinter uns, ich muss mir einen Job suchen um für die Unterkunft zu bezahlen...“ Wo ich abblieb stand erstmal nicht zur Debatte. Im Zweifelsfall wieder die Straße.

Die Zeit verging eigentlich recht schnell und aufmerksam beobachtete ich beim Essen die Bewohner der Stadt, die ihrem Alltag nachgingen. Auf dem ersten Blick wirkte es hier gar nicht anders als auf einem normalen Wochenmarkt - von der Kleidung mal abgesehen. Doch die Trupps an Soldaten brachen die Illusion etwas. Als Daniel zurückkehrte, hatte ich ihn erst für viel später eingeplannt und lag etwas entspannt gegen die Hauswand, auf der Kiste sitzend, gelehnt. Achtsam hörte ich mir seinen Plan an. Keine schlechte Idee, auch wenn es eine klare Downside gab. Wir würden den Jungen jetzt zwar nicht mehr in Gefahr bringen, noch das spielte keine Rolle wenn er rausgeworden wurde, weil wir kein Geld zahlten. Ich verabschiedete mich ebenfalls, weniger gründlich als Daniel, aber genug um mir nichts nachsagen lassen zu können. Wir nahmen den Weg zurück. "Hmpf. Wieviel musst du auftreiben? Und in welchem Intervall?", fragte ich, leise mit den Zähnen klackend, während wir uns auf die Akademie zu bewegten. Die Sonne ging in Richtung der Stadtmauer unter, was hieß das wir noch gut ein oder zwei Stunden Zeit hatten bevor es dunkler wurde. Vor der Akademie hatte sich bereits eine Gruppe junger Menschen gesammelt. Vielleicht zwölf, zählen tat ich jedenfalls nicht. Sie alle hatten die selben leichten Kleider an und wirkten mehr wie entlaufene Waisenkinder, oder ausgestoßene. Nur einer von ihnen machte wirklich den Eindruck nicht aus einer armen Schicht zu stammen. "Wenn ich nur wüsste was uns erwartet.", murmelte ich, auf den Sonnenuntergang wartend.

Natürlich fragte Luna wieviel ich zu bezahlen hatte. Eigentlich wollte ich darauf gar nicht antworten, defensiv aufgrund meiner eigenen Vergangenheit. „Ein Goldstück pro Woche. Wöchentlich fürs erste Quartal, dann monatlich oder im Jahresvorschuss.“ Ich hatte keinerlei Vorstellung wie viel das war oder was ich tun musste um es zu verdienen, aber ich würde es versuchen. Und wenn nicht einen anderen Ort finden oder mir etwas einfallen lassen. Es würde nicht ihr Problem werden, darauf legte ich Wert. Bei der Akademie sah ich für mich jedenfalls keine Zukunft, konnte doch nicht mal die Runen die hier allgegenwärtig waren. Und meine Fähigkeit, die von der ich kaum etwas wusste, die mir nur Probleme machte... damit kam ich doch nirgendwohin. „Du schaffst das schon.“ ermunterte ich Luna, eine Hand kurz auf ihre Schulter legend. Ich würde schon scheitern wenn von mir irgendwas schriftliches verlangt würde.

Ein Goldstück? Die Preise auf dem Markt erzählten etwas von Silberstücken - davon ausgehend das hundert Silberstücke ein Goldstück war - ich seufzte. Wir hatten viel Arbeit vor uns. Daniel riss mich etwas aus den Gedanken und ich schaute ihn kurz verwirrt an, ehe ich schaltete: "Wir schaffen das schon, meinst du wohl.", ermutigte ich ihn zurück und lächelte, seine Hand noch auf meiner Schulter spürend.

Eine Stunde verging, zumindest glaubte ich das, ehe sich die Tür vom Nebengebäude öffnete. Die Gruppe war bisher nicht mehr größer geworden und eine Zählung hatte ergeben das es doch nur zehn, uns eingeschlossen, statt der anfangs geschätzten zwölf Teilnehmer waren. Die Dame vom Empfang trats ins Freie und klatsche laut in Hände, lauter als sie es eigentlich hätte tun können ohne magische Hilfe. Die Aufmerksamkeit war ihr jedenfalls sicher. "Bildet Zweier-Gruppen und stellt euch vor der Tür auf. Die Prüfungen beginnen.", erklärte sie und beobachtete wie wir Aufstellung nahmen. Es könnte vorteilhaft sein, die erste Gruppe zu sein, andererseits blieb mehr Zeit zum nachdenken wenn wir weiter hinten starten würden. Aber dann verloren wir wohl den Gnadenbonus.

Wir. Es war lange her dass jemand Vertrauen in mich hatte und ich konnte es nur schwer glauben. Gerade was Schule anging tat ich mich so endlos schwer, hatte längst aufgegeben darin etwas zu erreichen. Wenn ich hier einen Schlafplatz fand bis ich irgendwo einen festen Job hatte reichte – in der Stadt, würde ich doch weder Luna noch den Jungen dauerhaft allein lassen wollen. Verantwortung war etwas schwieriges.
Jedenfalls hielt ich mich an Luna, befürchtete zwar dass wenn dies eine Zweier-Prüfung werden würde, ich sie herunterzog, ihre Zukunft verbaute... aber was blieb schon. Wir waren gemeinsam angekommen, wurden als Team behandelt, da war es das mindeste es gemeinsam durchzuziehen. Vielleicht kam sie im Vergleich zu mir auch besser weg. Ich wusste es nicht und zog sie schlicht in Platz an 4ter Stelle der Reihe, weit genug vorne um einen Vorsprung zu haben aber mit etwas Zeit zu erahnen was los war. Äußerlich war ich zumindest ruhig.

Ein wenig froh darüber, dass Daniel mir die Entscheidung abnahm, fanden wir uns an vierter Stelle wieder. Die erste Gruppe wurde herein gebeten, darunter auch der weniger ärmlich-aussehende Junge. Die Reihe rückte auf. Vermutlich hätten wir auch erster Stelle stehen können, konnte man von hier draußen absolut nicht erahnen was uns erwarten würden. Die Frau stand unentwegt Wache am Eingang und ließ kein Umsehen zu. Im Abstand von ein paar Minuten wurden die nächsten Gruppen hereingebeten, bis schließlich auch wir an der Reihe waren.

Wir durchquerten die Tür, doch statt wie erwartet wieder auf den Empfangsbereich zu treffen, war da ein dunkler Raum. Ein blaues Feuer in einer runden Sockelschale, schwebte einen guten Meter über den Boden und war die einzige Beleuchtung des Raumes. Hinter dem Feuer stand eine Person, beiger Mantel, dunkelbraunes Haar...der Mann von der Brücke!

Er lächelte uns mit einem freundlichen Gesicht an und trat seitlich an das Feuer heran. Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt. "Wie ich sehe, hat euch der Weg letztendlich erneut zu mir geführt, was?" Er lachte etwas und machte eine einladene Geste näher zu kommen. Mich umsehend trat ich etwas näher und wartete auf Daniel. "Wisst ihr was das hier ist?", fragte er und deutete auf die Flamme. "Feuer. Der Farbe nach vermutlich ziemlich heiß.", erklärte ich. Ich war mir sicher, das es nicht die Antwort war, die er haben wollte, aber eine richtige. Besser als zu sagen, dass man es nicht wusste. Der Mann lachte. "Würde man annehmen, ja. Und tatsächlich kann sie ernsthafte Verletzungen hervorrufen, bei jenen ohne magische Begabung. Bitte legt jetzt eure Hände einzeln in die Flammen." Ich schaute Daniel an, etwas unsicher, wie er darüber dachte. Doch ich schluckte. Ich wusste das ich magische Kräfte hatte, aber musste ich Vorbereitungen treffen bevor ich die Hand herein legte? Hatte die Prüfung bereits begonnen?

Nein. Ich durfte nicht zögern und ich konnte es mir immer noch überlegen, wenn es schmerzte. Vorsichtig führte ich meine linke Hand in Richtung des Feuers. Es wurde wärmer, immer wärmer, doch als meine Hand die Flammen berührte, schmerzte es nicht. Stattdessen wurde die Flamme kleiner und färbte sich in ein dunkles, unheimliches Rot. "Danke. Dein Partner bitte.", meinte er sanftmütig und ich legte die Hand zurück. Sofort färbte sich das Feuer wieder blau und wurde größer.

Das der Kerl von der Brücke hier war machte mich direkt wieder misstrauisch. Er hatte Sachen gewusst die mir unbekannt waren und das passte mir nicht, erinnerte zu sehr daran wie Leute dauernd Dinge über mich angenommen hatten die nicht wahr waren. Einzig gut war, dass er unser beider Fähigkeiten bereits von der Brücke kannte und ich ihn nicht so einschätzte uns verletzen zu wollen.
Meine Hände in Flammen zu halten hielt ich zwar auch nicht für eine generell gute Idee, aber ich hatte ein paar Erfahrungen, wusste dass man es auch bei besonders heißem Feuer einfach schnell machen musste. Dennoch nahm ich meine linke Hand, marginal besser mit der rechten sollte doch eine Verbrennung erfolgen. Der Rest des ganzen war sicher nur irgendein psychologischer Trick, nicht wirklich aussagekräftig. Ohne Zögern folgte ich der Anweisung, planend meine Hand einfach schnell durchzuwedeln – er hatte nichts davon gesagt wie lange. Nur dass bei mir die Flamme gänzlich anders reagierte, ich sie kaum berührte ehe sie in ein gleißend helles Violett wechselten, aufflammten. Das ich meine Hand sofort zurück zog stoppte es nicht, folgten die Flammen, breiteten sich in einem Flash immer weiter aus... und alles was ich tun konnte war mich dank unglaublich schneller Reflexe abzuwenden, auf Luna zu werfen und sie zu Boden zu reißen, dort wo unsere Überlebenschancen größer waren. Falls wir überhaupt welche hatten.

Als Daniels Hände das Feuer berührten, war ich nicht darauf gefasst, was geschehen würde. Innerlich dankbar dafür, dass er mich mit zu Boden riss - hätte ich es doch alleine sicher nicht schnell genug geschafft -sah ich aus dem Augenwinkel, dass sich der Magier kein Stück bewegte, als die Flammen sich im ganzen Raum ausbreiteten. Die Flammen wanderten zur Decke und von dort aus zu den Wänden, ehe sie zwei Meter vor uns einfach stoppten und wieder in die Luft schossen. Nur Sekunden später war verschwand das grelle Licht und das Feuer erlosch, sowohl im Raum als auch in der Schüssel. Kurze Zeit wurde es dunkel, ehe ein Schnippen durch den leeren Raum hallte und das Feuer sich abermals entzündete. Der Magier lachte. "Ich hab mich wohl nicht darin getäuscht, dass du ein Weltenwandler bist. Und dann auch noch solche Reflexe." Mühsam kämpfte ich mich nach oben, reichte dabei Daniel eine Hand, um ihm aufzuhelfen.

"Ich bin Erzmagier Dazai Flynn. Und ich heiße euch Beide herzlich an unserer Akademie willkommen. Folgt dem Gang hinter mir und ihr kommt zu unserem Quartiermeister. Dort müsst ihr euch eintragen und bekommt eure Einweisung, wie auch Lehrmaterial. Viel Erfolg." Mit der Hand deutete er ausladend auf die Tür hinter ihm, die durch die spärliche Beleuchtung nur schwer zu sehen war.

Bevor Daniel was sagen konnte, verneigte ich mich leicht und schob den Jungen vor mir her und durch die Tür. "Schätze die Leute sind hier ziemlich crazy drauf, was?", murmelte ich leise zu ihm. "Aber süß von dir, mir das Leben zu retten. Wenn auch scheinbar nicht nötig gewesen..." Ich klopfte ihm etwas auf die Schulter, ehe wir durch eine zweite Tür in einen deutlich stärker beleuchteten Raum kamen. Der Quartiermeister begutachtete uns recht oberflächlich und schob etwas Pergament in unsere Richtung, daneben Federkiel in einem Tintenfläschchen. "Aufschreiben. Name und Alter.", raunte er mit wenig begeisterter Stimmung. "Und dann an die Seite hier, wir brauchen eure Maße.", erklärte er, ließ uns mit dem Pergament alleine und stellte zwei recht schwer aussehende Bündel auf den Tresen gut ein paar Zentimeter neben der Tinte.

Amüsant fand ich das hier überhaupt nicht, hatte mich furchtbar erschreckt und war auch entsprechend wütend, dass es keine Vorwarnung gab, kein Überspringen wenn er es doch sowieso wusste. Ich funkelte Dazai an, kurz davor ihm gehörig meine Meinung zu geigen und nur abgehalten weil Luna mich direkt rausbugsierte. Irgendwann würde er es schon hören, besonders wenn dass so weiter ging... aufgenommen zu werden war bestimmt nicht in meinem Plan gewesen. Wie sollte ich denn eine Fähigkeit lernen, die mich krank machte? Und Geld für Jakob war auch ein Problem. Sanft lächelte ich was das Leben retten anging, hätte sie das doch auch getan, hatte es bereits als es mir so schlecht ging. Es war seltsam mal jemanden zu haben dem man vertrauen konnte.
Und jetzt Schule, etwas worin ich nicht mal ansatzweise gut war. Zweifelnd blickte ich auf den Federkiel, linste zu Luna wie sie das Ding hielt und kopierte das – erst mein Alter. Zahlen waren schwieriger für mich, aber ich wusste dass eine 1 vorne war und machte einen Strich, gefolgt von einem Kringel den man wohl als 6 interpretieren konnte. Spielte kaum eine Rolle. Meinen Namen konnte ich zwar sicherer schreiben, dank des Federkiels wurde es aber verwischt, krakelig. Dan i e l W in g, dass W am deutlichsten doch künstlerisch wie ein Vogelzeichnung.