Limit - Spiel um dein Leben

Marcel ließ mich den ganzen Tag nicht in Ruhe, tat so als würde das mit alles gefallen und wollte nun auch das wir uns außerhalb der Schule trafen. Mit einer Ausrede, ich hätte noch einen Arzt Termin, konnte ich mich jedoch noch retten, wer wusste schon was er vorhatte. Ich fuhr nach Hause, legte mich auf mein Bett und warte bis Chang vor der Haustür war und klingelte. Ich ließ ihn rein und zeigte nur leicht in Richtung meines Zimmers. Der Rollstuhl passte grade noch so dort hinein, aber viel mehr durfte es auch nicht sein. Bedrückt setzte ich mich auf mein Bett und schwieg erst mal kurz.

Ich kam ein bisschen zu spät, die Gänge hier oben waren nicht so gut geeignet für Rollstühle und auch in ihrem Zimmer war es recht eng. Besorgt schaute ich sie an, fragte aber nicht was los war sondern wartete bis sie von allein bereit war zu sprechen. Währenddessen schaute ich sie aufmerksam an, die Hände in den Schoß gelegt und versuchte heraus zu finden was ihr fehlte..auf jeden Fall war sie bedrückt, vermutlich wegen Marcel der ihr keine ruhige Minute mehr ließ.

"Ich weiß nicht mehr was ich machen soll...eigentlich darf ich nicht mit dir reden, aber ich kann nicht mehr." fing ich an und verkrampfte die Fäuste, dabei rollten mir kleine Tränen über die Wange.
"Dieser Marcel droht mir, jetzt schon eine ganze Weile. Wenn ich nicht tue was er sagt will er mich umbringen...ich hab panische Angst, verstehst du?" meinte ich zittrig und hoffte das er sich den restlichen Teil denken konnte. Marcel war schon in Limit brutal und mitleidslos gewesen, ich befürchtete das er vor einem Mord nicht zurückschrecken würde.

"Sh...nicht weinen..." Sanft nahm ich ihre Hand und hielt sie leicht fest, hätte sie auch in den Arm genommen aber vom Rollstuhl aus ging das schlecht. Das sie nicht mit mir reden durfte verstand ich erst nicht ganz, dachte mir dann aber das es mit Marcels Drohungen zusammen hing. Natürlich war es schön das sie mir so weit vertraute das sie trotzdem über sowas sprach, aber..."Und warum erzählst du mir das..? Klar ich würde dir gerne helfen aber ich wüsste nicht wie...schau mich doch an. In dieser Welt hab ich keine Chance gegen den..." versuchte ich ihr vorsichtig beizubringen das ich vielleicht doch nicht der richtige Ansprechpartner für so ein Problem war.

"ja...natürlich...tut mir leid. Ich hatte nur gehofft du würdest vielleicht..."
Ich schüttelte den Kopf, nein das war zu viel verlangt, ich wollte ihn ja auch nicht mit meinen Problemen allzu sehr belasten.
"Naja, danke fürs zuhören, aber...ich muss...du weißt ja wo die Tür ist." meinte ich schließlich und ging aus dem Zimmer, mit verweintem Gesicht rannte ich die Treppen herunter, dann aus dem Haus und letztendlich in den Park den Chang mir gezeigt hatte. Dort setzte ich mich am Spielplatz auf eine Schaukel und wippte betrübt hin und her. Was hatte ich denn erwartet? Ich hätte es doch gleich wissen können. Plötzlich fasste ich mir eine Hand auf die Schulter, ich dachte fast es wäre Chang, doch es war Jan der hinter mir stand und sich dann neben mich auf die zweite Schaukel setzte. Kurz schwiegen wir, dann erzählt er mir er habe gelauscht und so begann ein recht langes Gespräch. Er nahm mich in den Arm und es tat so unendlich gut, das er sich um mich sorgte und mir mit meinem Problem helfen wollte.

Ich nickte nur leicht traurig, es tat mir zwar unendlich leid das ich nicht in der Lage war ihr zu helfen aber ich konnte nicht...ich konnte gegen die nichts ausrichten, nicht solange ich an den Rollstuhl gefesselt war. Still verließ ich die Wohnung, begab mich wieder zurück in meine eigene fuhr dort den Computer wieder hoch um mich in alte Spiele zu vertiefen. Es war ja nicht so das ich ihr nicht helfen wollte, ich hatte Miku wirklich gern und hätte auch sonst was dafür gegeben ihr zu helfen aber dazwischen stand leider die Tatsache das ich nicht laufen konnte und es auch nie mehr können würde.

Jan brachte mich wieder zurück in die WG als es schon langsam dunkler wurde. Er wollte genau das machen was ich eigentlich von Chang erhofft hatte...er wollte mit ihnen reden und wenn das nicht klappte mit mir zur Polizei gehen, er hatte mir Mut zu gesprochen und dafür war ich ihm sehr dankbar.
Am nächsten Tag ging ich zusammen mit Jan zur Schule, wir nahmen den zweiten Bus und somit traf ich auch Chang nicht.
Vor dem Unterricht stellte Jan Marcel zu rede, er war wirklich gut darin überzeugend zu sein, sodass Marcel sich grummelt einverstanden erklärte mich nicht weiter zu nerven. Er bot mir sogar an die Klasse zu wechseln und wenn gleich ich Chang gern hatte, so war Jan eine stärkere Stütze im moment für mich, weshalb ich dankend annahm und heute auch nicht zum Unterricht erschien. Viel mehr verkündete die Lehrerin vermutlich das ich nicht mehr in der Klasse war.

Ich hatte nicht erwartet das Miku jetzt wieder mit mir im Bus fuhr, war aber dennoch traurig darüber. Aber ich konnte ihr dabei nicht helfen, selbst wenn ich versuchen würde mit denen zu reden würden sie mir nur weh tun und Miku wahrscheinlich auch..das wollte ich um keinen Preis riskieren. Das sie dann gar nicht zum Unterricht erschien verwunderte mich schon etwas und als dann die Lehrerin erklärte sie ginge jetzt in eine andere Klasse schaute ich nur betrübt zu Boden. Am Nachmittag hielt ich Ausschau nach ihr, hoffte sie zu sehen aber das passierte nicht. Still fuhr ich heim und verbrachte den Rest des Tages in meinem Zimmer vorm Computer.

Wie versprochen ging ich mit Jan zum essen aus und wir kehrten erst recht spät nach Hause. Wir verstanden uns richtig gut und in seiner Gegenwart konnte ich mehr als nur lachen.
Am nächsten morgen nahmen wir dann doch den ersten Bus, da Jan früher als sonst losmusste, ich sah auch Chang sofort, kümmerte mich aber nicht weiter um ihn, hing mich nur in Jan's Arme und war glücklicher denn je.

Am nächsten Morgen zwang ich mich doch in die Schule zu gehen auch wenn es mir etwas sinnlos erschien. Miku fuhr diesmal auch wieder mit dem Bus, half mir aber nicht wie vorher sondern klebte förmlich an Jan und diesmal scheinbar freiwillig, weswegen ich ihr auch nur kurz schwach zulächelte. Ich traute mich nicht sie anzusprechen, nicht nachdem ich sie praktisch im Stich gelassen hatte und auch weil ich Jan aus dem Heim kannte. Er war zwar nie unfreundlich zu mir gewesen, aber ich hatte durch aus gemerkt das ich für ihn nicht mehr war als der behinderte Junge der sich mit seiner Intelligenz aufspielt. Den Rest des Tages verbrachte ich schweigend, fuhr sogar ein paar Busse später nach Hause um ihr nicht über den Weg zu laufen und verbrachte die Zeit dazwischen im Park wo ich Skizzen auf meinen Block malte.

Nach der Schule, als Jan weg war klopfte ich an Changs Tür, eigentlich wollte er mir doch Nachhilfe geben und auch wenn ich Jan gern hatte, hieß das ja nicht das Chang mir völlig egal geworden war.
Als dieser jedoch nicht öffnete oder wahrscheinlich eher nicht da war, ging ich rüber zum Park, wo ich mich wieder auf die Schaukel setzte, ich bemerkte gar nicht wie Chang eigentlich in der Nähe war. Vorsichtig schaukelte ich hin und her und versuchte etwas mich zu beruhigen.

Ich saß ein gutes Stück entfernt von Miku am Ende eines Weges, zeichnete versunken die Landschaft, Miku und noch verschiedene andere Dinge. Mit der Zeit war ich gut darin geworden, selbst wenn es alles nur einfache Bleistiftskizzen waren. Zumindest lenkte es ab und ich konnte ja auch nicht die ganze Zeit nur drinnen sein, da würde ich nur krank werden selbst wenn ich mich lieber mit Computern beschäftigte als mit was anderem.

Ich betrachte den Mond der sich nun leicht wieder an der Wolkendecke bildete. Seufzend stand ich auf und ohne es zu merken schlenderte ich an Chang vorbei, vielleicht zu Blind oder zu Gedanken versunken aber ich hatte den Blick starr auf den Boden gerichtet, die Hände in meiner Hosentasche.
Das Licht des Mondes erhellt alles, was auch nötig war, da die Lampen scheinbar defekt waren.

Langsam wurde es wirklich dunkel und ich begann mich auf den Heimweg zu machen, erkannte Miku die vor mir ging nicht. Ohne noch was zu essen ging ich ins Bett, tat am nächsten Morgen auch nicht aufstehen und zur Schule gehen. Was sollte ich schon da? Die Aufgaben konnte ich mir auch zuschicken lassen und daheim lösen, aber ohne Miku hielt mich nichts in der Schule...die anderen verachteten mich weil ich Sonderbehandlung bekam und im Rollstuhl saß womit ich in ihren Augen minderwertig war und außer ihr hat mich lange nicht mehr jemand so nett behandelt.

Ich schlenderte nach Hause und verbrachte den Rest des Tages ebenfalls in meinem Zimmer wo ich ohne Abendbrot einschlief. Der nächste Tag war auch nicht besser, auch wenn Jan mich über die Schulzeit hinweg helfen konnte, nahm meine Lernfähigkeit ein wenig ab und da Jan Nachmittags arbeiten musste, war ich es wieder mal die zuhause war. Ich schleppte mich wieder runter zu Chang und klopfte gegen die Tür. Ihn hatte ich heute gar nicht gesehen, ob er vielleicht gar nicht in der Schule war?

"Ist offen" rief ich Richtung Tür als jemand klopfte, es konnte ja eigentlich nur Miku sein. In der Schule war ich nicht gewesen und wie erwartet hatte nicht mal jemand nachgefragt wo ich steckte. Die Lehrerin war vermutlich froh mich los zu sein. Im Moment hockte ich wieder auf dem Bett und hatte Notizen zu einem Computerprogramm vor mir ausgebreitet.

Ich kam herein und schloss die Tür fein säuberlich. Ich ging in sein Zimmer, wo die Stimme herkam, blieb aber etwas betrübt und respektvoll auf der Türschwelle stehen.
"Ist alles in ordnung bei dir? Du warst heute nicht in der Schule..." fragte ich und schaute mich etwas um, wir er seine Notizen dort parat hatte und offensichtlich arbeitete.

"Mir gehts gut....und ich hab meinen Schulabschluss ja schon." erwiderte ich und schaute zu ihr. "Bist du wegen der Nachhilfe hier oder wolltest du einfach nur nach mir schauen?" fragte ich zurück und hoffte innerlich das eher letzteres zu traf. Meine Blätter die mit Zahlenreihen vollgeschrieben waren packte ich weg, das war nichts groß wichtiges..nur Beschäftigung.

"Beides..." meinte ich etwas ruhig und schaute ihn an. Ging er meinetwegen nicht mehr zu schule? Ich er wollte es ja anfangs nur meinetwegen machen und nun da ich nicht mehr in seiner Klasse war.
Ich beließ es aber dabei, er musste ja nicht und das Unheil war jetzt eh schon angerichtet.
"...aber nur wenn du Zeit hast." fügte ich hinzu. Sollte er jetzt sauer auf mich sein war das sein gutes Recht und da wollte ich ihm auch nicht zwischen reden.

"Klar hab ich Zeit" meinte ich nur und ging nicht weiter auf ihre andere Antwort ein, auch wenn es mich freute das sie noch an mich dachte. "Da drüben sind Blöcke und sowas" sagte ich auf den Schreibtisch deutend. Ich kam da grad nicht ran, jedenfalls nicht ohne den Rollstuhl zu benutzen. "Also, wo ist dein größtes Problem?" fragte ich und schaute Miku an nachdem sie sich einen Block und Stift genommen hatte.

Ich nickte nahm Bleistift und Papier, ehe ich mich auf den Stuhl vor dem Tisch setzte.
"Momentan Mathe, Additionsverfahren und dergleichen" meinte ich und bekam schon leichtes kribbeln als ich an das Thema dachte. Egal wie oft es die Lehrerin erklärte ich begriff einfach nicht wie man das machen sollte.

"Miku komm rüber...an den Tisch passt nur Stuhl oder Rollstuhl hin." meinte ich sanft und deutete neben mich aufs Bett. "Dann fangen wir mal damit an.." Ich diktierte ihr ein paar Aufgaben und bat sie dann die zu lösen während ich zuschaute. Es würde nichts bringen ihr einfach nur etwas zu erklären, erst musste man wissen wo sie die Fehler machte. Und in Mathe war ich gut, auch wenn ich in der Schule oft nicht hatte erklären können wie ich auf die richtigen Lösungen gekommen war.

Ich nickte und setzte mich zu ihm, ehe ich kritisch die Aufgaben begutachtete, etwas darauf hinkritzelt und verzweifelt den Bleistift aus der Hand legte.
"Tut mir leid...ich weiß nicht mal wie ich da ansetzen soll" meinte ich leicht betrübt und kaute auf meinen Lippen herum.
In jedem Fach konnte ich gut mithalten, aber Mathe war einfach so ein trockenes und total nutzloses Fach, niemals, und das hoffte ich, würde ich sowas später brauchen.

"Macht nichts." Ich lächelte leicht und rutschte näher zu ihr. "Schau, du darfst nicht versuchen alles auf einmal zu lösen...eins nach dem anderem" An der einfachsten Aufgabe zeigte ich ihr Schritt für Schritt wie es ging, erklärte jeden einzeln und nicht nur auf die jetzige Aufgabe bezogen sondern allgemein für diese Art des Rechnens. Geduldig ging ich es immer wieder durch bis ich glaubte das sie es verstanden hatte und ließ sie dann die Aufgaben weiter rechnen wobei ich ihr auch wieder leicht half.

Es ging happig voran, doch zum Glück gab Chang nicht die Geduld mit mir aus. Irgendwann dann hatte ich endlich meine erste Aufgabe alleine gelöst und mächtig stolz grinste ich.
"Danke, du bist wirklich ein guter Lehrer" lächelte ich und gab ihm einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange.
Ich übte noch ein wenig weiter bis ich mir recht sicher war die Aufgabe verstanden zu haben. Die Zeit verging wie im Fluge und ich merkte gar nicht wie es schon sehr spät wurde.