Seelentor New Arrival

Mit leicht schief gelegten Kopf begutachtete ich wie Bo sich in einen Mix aus eigenen und militär Style kleidete. Hoffentlich waren die hier nicht so streng, sonst würden die ihn sicher dafür zurechtweisen. Ich für meinen Teil tat es ihm jedoch gleich, in dem ich einfach die Uniform über meine eigene Kleidung zog, schließlich war es ein dünnes Kleid und dank der größe-verändernden Eigenschaft passte sich alles perfekt an. Froh war ich jedoch nur endlich Socken und ein paar Stiefel bekommen zu haben, musste ich meinen geschundenen Fuß nicht noch mehr zumuten. "Magie ist cooler.", bemerkte ich mit ernstem Gesichtsausdruck. Nur weil ich kaum Emotionen zeigte, hieß das nicht, dass ich keinerlei Wünsche oder Interessen hätte. Magie zu lernen wäre sicher ziemlich cool! Vorallem wenn es richtige Magie war.

Es war ihre freie Entscheidung was sie anziehen wollte, wobei ich ja hoffte dass es Ray auch passte. Sie bekam sowieso keine Chancen im Leben, also sollte sie wenigstens nicht unkomfortable sein. „Nur weil keiner erwartet es zu verstehen.“ entgegnete ich. „Wo ist da die Herausforderung?“ Auch wenn es vor meiner Familie kaum so schien, ich bekam meine hervorragenden Noten nicht von ungefähr. Vielleicht war ich an hacken nie genug interessiert um es selbst zu betreiben, doch allein sich in alles einzuarbeiten war nicht leicht. Ich hatte Interessen, sie interessierten nur niemanden. „Versuch zu schlafen.“ riet ich ihr, lies mich aufs Bett fallen. Und verzog sofort das Gesicht, fühlte sich auf dem Rücken liegen falsch an. Huh. Hatte mir wohl was gezerrt.

Ich zuckte nur mit den Schultern, nicht erwartend das Bo meine Gedankengänge verstand. Außerdem hatte er schließlich das Recht auf eine eigene Meinung. Auf seinen Hinweis sich besser schlafen zu legen, nickte ich hingegen zustimmend. "Ist gut." Morgen wäre sicher ein harter Tag. Als Mädchen könnte ich mir nie vorstellen Wehrdienst zu leisten, doch die Aussicht auf Magie und diese Welt besser zu verstehen ... erfüllten mich mit einem warmen Gefühl, das ich sofort unterdrückte. Das war der größte Nachteil an der Beziehung zwischen Ray und mir. So etwas wie Glück und Freude gab es schlicht nur auf dem Papier für mich. Als mein Blick zu Bo wanderte bemerkte ich wie es ihm scheinbar nicht gut ging, weshalb ich ihn kurzer Hand beobachtete. "Narbe." wiederholte ich leise und deutete auf meinen Rücken, um ihm zu verdeutlichen das ich mir das Ganze nicht ausgedacht hatte. "Ein Arzt sollte sich das ansehen. Sieht frisch aus..." Zwar war die Narbe nicht blutig gewesen oder so, dennoch hatte ich die Befürchtung das er sie sich beim Fall durch den Schädel zugezogen hatte. Vielleicht war er ja auf spitzen Steinen gelandet?

Wehrdienst war jetzt auch nicht mein Traumberuf, aber zum einen hatten wir hier wenig Chance, zum anderen war es genau wie Bildung mittel zum Zweck. Und anders als Schule kam ich hier wenigstens raus, konnte etwas erleben. Früher oder später wäre auch hier die Möglichkeit wegzulaufen, ein eigenes Leben zu führen. Das jemand auf meine Gesundheit wert legte, dass war neu. Ich konnte damit nicht umgehen, nicht nur weil ihre Aussage für mich keinen Sinn machte. „Nix Narbe. Schlaf.“ entgegnete ich nur – drehte mich allerdings auf den Bauch, zog die Decke um mich. Besser so. Die Handschuhe, welche meine tatsächlichen Narben verbargen, behielt ich jedenfalls auch hier an. Und ignorierte etwaige weitere Kommentare.

Still starrte ich Bo an. Als er sich umdrehte, sprach ich ihn nicht weiter darauf an. Murmelte eher Dinge die man als "Ebenfalls mental instabil" oder ähnliches heraushören konnte, doch letztendlich legte ich mich ebenfalls auf die Seite und schlief ein. Ich war ganz froh in einem Bett zu übernachten. Die Vorstellung im freien Hausen zu müssen, würde höchstens Ray Freude bereiten.

Am nächsten Morgen wurden wir durch lautes Gebrüll geweckt: "Aufstehen, ihr Würmer! Appell in fünf Minuten, wer zu spät ist kann sich von seinem Kopf verabschieden!" Trubel brach im Zelt aus. Meine Mitbewohner liefen eher wie eine aufgescheute Viehherde durch die Gegend, während ich nur etwas mysteriös drein blickte. In Wahrheit fühlte ich mich nur etwas verloren, weshalb mein Blick auch auf Bo fiel. "Morgen.", murmelte ich zu ihm und schaute dem Treiben interessiert zu.

Leises Gemurmel konnte ich gut ignorieren, hatte genug Gerede hinter meinem Rücken erlebt. Und sooft ich auch meinem bequemen Elternhaus entwischte, gegen die Annehmlichkeiten der Zivilisation war doch wenig einzuwenden. Ich schlief jedenfalls ruhig.
Auch das Gebrüll war nicht völlig neu, streckte ich mich in Ruhe. In Klamotten zu schlafen hatte seine Vorteile, grinste ich nur Celine an, gutgelaunt trotz der frühen Stunde. Gewohnheitsgemäß richtete ich dann mein Bett ordentlich her, zog die Schuhe an und stand pünktlich und ordentlich bereit zum Appell.

Bo schien guter Laune zu sein, weshalb ich mich ein Stück weit für ihn freute. Schließlich wirkte er auf mich ein wenig...distanziert. Zumindest konnte ich sein Verhalten nicht klar einordnen, was aber gut daran liegen konnte, das wir hier in einer neuen Welt waren. Ohne ihn anzusprechen, machte ich mich ebenfalls fertig. Wie bequem Schuhe doch waren! Kurz nach Bo traf ich schließlich auch am Ort des Geschehens ein und stellte mich neben ihn. Die Rekruten, mit denen wir bisher noch kaum ein Wort gewechselt hatten, taten es uns gleich.

Nach genau fünf Minuten, kam ein prunktvoll gekleideter Offizier auf uns zu. Eine Hand an das Schwert an seinem Gürtel gelegt, die andere spielte an einer Taschenuhr herum. Sein gesamter Körper glich einem Schrank und eine auffällige Narbe zog sich quer durch sein Gesicht und verlieh ihm ein besonders grimmiges Aussehen. "Rühren.", gab er schnaufend von sich und ließ uns im Habacht stehen. Selbst ohne Militärerfahrung bekam das wohl jeder halbwegs hin. Sein Blick wanderte durch unsere Gruppe. Jeder Einzelne wurde genaustens begutachtet. Bei Bo blieb er kurz stehen, als wolle er anfangen ihn für seinen Kleidungsstil zu tadeln. Doch als er die Runenschrift bemerkt, verzog er angewidert das Gesicht und fuhr damit fort die Truppe zu begutachten.

Sein schief gelegter Blick musterte schließlich meine Gestalt trocken. Doch er sagte nichts. "Ich bin Darius Naverius, euer Instruktor für die nächsten Tage. Ab heute seid ihr offizielle Mitglieder des kournischen Heeres. Disziplin in eure närrischen Schädel einzuhämmern werde ich mir sparen, wer hat schon Hoffnungen bei euch Haufen Bauern und Tu-nichts-guten? Der Großteil von euch wird es ohnehin nicht aus der Front zurück schaffen. Alles was ihr wissen müsst, ist, dass Deserteure ohne zu fragen exekutiert werden. Und nun folgt mir zur Waffenkammer, jeder bekommt ein Schwert und wird bei mir lernen damit umzugehen.", schnaufte er unfreundlich, als er seine Inspektion beendet hatte, die Gruppe vom Platz fortführend.

Wirkte womöglich etwas distanziert, wie ich so in Routine verfiel, doch ich hatte ähnliche Morgen mein halbes Leben lang erlebt. Und Habacht war auch nichts anderes als 'elegante Party, benimm dich', konnte mich Aussehen kaum abschrecken. Ich wusste selber das Muskeln nicht alles waren, baute selber mehr auf Agilität. Ebenso hatten mich andauernd Leute gemustert, meinen leicht rebellischen Stil stumm kritisiert, weswegen ich dem gar nicht so viel Bedeutung beimaß. Dann hatte er eben entschieden mich dafür nicht anzublaffen, war nicht so als hätte ich darum gebeten.
Ein paar mehr Informationen bekamen wir hier nun, zumindest den Namen des Landes und was man mit uns vorhatte. Nur wenn man sie erwischt dachte ich mir still meinen Teil. Aber kämpfen klang interessant. Samurai hatten Schwerter, also warum nicht? „Oh, das wird definitiv mehr Spaß machen als Fechten“ murmelte ich. Die Stunden hatte ich eindeutig nicht freiwillig genommen, wobei ein bisschen Grundwissen kaum schaden würde.

Da ich direkt neben Bo stand bekam ich sein Geflüster mit und schaute ihn etwas schief an. Fechten? Ich bekam schon Panik vor ner Schlägerei und nun wollte man mir eine Waffe in die Hand drücken? Der Gedanke daran erschauderte mich und Angst drang tief in meine Poren ein, genug das meine Augen anfingen zu flackern und sich ein tiefes Rot einschlich.

Instinktiv band sich Ray die Haare mit dem Band zu einem Zopf zusammen und beobachtete fasziniert das Armeecamp während die Rekruten dem Offizier folgten. "Ich hab was verpasst?", fragte sie den Jungen rhetorisch kichernd, jedoch leise genug dass das Gespräch unter den Beiden bleiben konnte. Sie war heute besonders fröhlich drauf. Normal würde sie für lange Zeit schlummern, bis meine Emotionen sie freisetzen würden. Doch nun konnte sie lauschen. Auch wenn sie nicht verstand was gesagt wurde, konnte sie Stimmen wahrnehmen. Ein gewaltiger Fortschritt zu den Jahren davor und es schien immer besser zu werden.

Der Mann führte die Rekruten zu einer Waffenkammer und drückte jedem neuen Soldaten ein Kurzschwert in die Hand. Die Qualität hatte deutlich gelitten, was wohl davon zeugen ließ, das man den Rekruten entweder zu wenig zu traute oder der Krieg für einen Mangel an guten Waffen gesorgt hatte. Ray band sich die Klinge samt Scheide an den Gürtel und folgte schließlich der Gruppe zu einem großen Übungsplatz.

"Die Grundlagen des Schwertkampfes sind einfach. Hieb, Stich, Parade.", erklärte er und führte ein Set an Schwertbewegungen durch. Sie waren einfach, aber flüssig mit einer recht hohen Präzesion. "Drei durchgänge, danach drei Läufe um das Lager, danach wieder drei Durchgänge.", schnaufte er gebieterisch und beobachtete uns beim Üben, hin und wieder die Fehler eines Rekruten durch ein lautes Gebrüll korrigierend. Ray schlug sich relativ gut, dafür das sie noch nie ein Schwert in der Hand gehalten hatte. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, hätte ich mich entweder ziemlich blamiert oder das Schwert einfach fallen gelassen. Ich wollte es mir nicht eingestehen, doch es war das erste Mal, dass ich wirklich froh darüber war, dass Ray eine Sache übernahm.

Ray war leicht an dem Zopf zu erkennen, lächelte ich sie an. „Wir wurden – unfreiwillig – rekrutiert für das kournische Heer, willkommen zu der ersten Trainingsstunde.“ Zumindest schien sie mir besser dazu geeignet als Celine, wobei dem Trainer wortkarge Rekruten sicher lieb waren. Ein Stück enttäuscht angesichts der Waffenqualität ließ ich mir nichts anmerken, schnallte es mir um und folgte. Wenigstens hatten wir hier Platz, brauchte ich nicht befürchten von irgendeinem Bauern versehentlich erstochen zu werden.
Angesichts der mageren Grundlagen war es ein leichtes diese Übungen durchzuführen, praktisch wie aufwärmen beim Fechten. Wobei es mich deswegen langweilte, ich es zwar ordentlich, aber eher halbherzig machte, beim Laufen eher zeigte was ich konnte. Locker überholte ich Leute, kam kaum außer Atem, trotz dessen dass war keine richtige Mahlzeit hatten. Hoffentlich wurde das hier noch interessanter, oder ich machte nur mit bis es eine Gelegenheit gab abzurücken.

Beim Lauf hielt Ray Platz Zwei, schöpfte das meiste Potenzial aus meinem Körper heraus, doch es war offensichtlich, dass es nicht reichte um jemanden Trainiertes wie Bo einzuholen. Ray schien das ganze aber nicht weiter zu beeindrucken, spielte sie lediglich es mit der Zunge über die Lippen und kicherte angesichts der Gelegenheit sich mit jemanden Messen zu können. Der Offizier schien überrascht zu sein von unserer Performance, aber zeigen wollte er es nicht, eher unscheinbar wie das Runzeln der Stirn.

Als jeder seine zwei Runden durch hatte, nickte der Offizier. "Das sollte als Aufwärmtraining reichen. Bevor ihr zum Frühstück entlassen seid, wird euer Potenzial getestet. Vielleicht hat einer von euch Langnasen ja das Glück Magie zu lernen...", spuckte er verächtlich aus, während sein Blick länger als gewöhnlich auf Bo ruhen blieb. Doch auch dieses Mal sprach er ihn nicht direkt an. Offensichtlich brachte es nichts gutes ein jemanden zu verägern der Magierkleidung trug, auch wenn er nicht wissen konnte das Bo kein Magier war. Man führte uns zu einem Zelt am Rande des Lagers. Eine Schlange aus Rekruten bildete sich davor, wobei wir Beide relativ weit hinten anstanden. "Gut, einer nach dem anderen. Wer den Potenzialtest besteht, begibt sich umgehend zum Ostteil des Lagers und meldet sich bei Inquisitor Maurax. Der Rest sammelt sich wieder hier." Und damit begann das warten. Lang genug, das meine Emotionen sich vollständig stabilisiert hatten. Ray seufzte. "Krieg das Resultat wohl nicht mehr mit...halt mich auf dem Laufenden.", murmelte sie an Bo gewandt und winkte ihm kurz zu, ehe die Augen flackerten und ihr leeres Violett wieder annahmen. Das Haarband wich und ließen die offenen Haare kurz im Wand flattern, ehe sie auf meinen Schultern Platz fanden. Still wartete ich in der Reihe.

Gemessen hatte ich mich nie direkt mit jemanden, hatte daran kein Interesse, aber es war dennoch nett zu sehen, dass jemand mithalten konnte. Ebenso schenkte ich dem Offizier wenig Beachtung, hatte ebensowenig Interesse mich ihm zu beweisen wie irgendwem anders. Bei seinem Blick grinste ich nur zurück. Sollte er doch denken ich war ein Magier. Solang ich meine Ruhe hatte, war mir das nur Recht. Immerhin hieß es ich konnte meine bequeme Kleidung behalten. Vielleicht hatte die ja Magie und es reichte um durchzukommen bis ernsthafte Tests anstanden. Ausschließen wollte ich es nicht. „Immer“ versicherte ich Ray beim warten, lächelte allerdings auch Celine an als sie wieder da war. Bei ihr konnte ich mir zumindest die Erklärung sparen. Interessiert wartete ich dann auf den Test und was dieser wohl beinhalten würde.

Bo's Blick auf mir spürend, drehte ich mich um und schaute in sein lächelndes Gesicht. Es war schwer das zu ignorieren, weshalb ich nur etwas dümmlich wirkend lächelte und nickte. Es war mega awkward, weshalb ich wieder schnell den Kopf wegdrehte. Seufzend wartete ich in der Reihe, ein erwartungsvolles Gefühl unterdrückend. Würde ich mich darauf freuen eine Magierin zu werden, nur um dann doch abgewiesen zu werden, würde es mir wohl eher Schaden und ich wollte Ray fürs erste keine Kontrolle mehr geben. Immer mehr Rekruten kamen heraus, doch sie waren vollzählig, nicht einer schien diesen Test bestanden zu haben. Krampfhaft das Gefühl von Angst unterdrückend atmete ich tief ein und aus. Ein letztes Mal schaute ich zu Bo zurück, ehe ich selbst alleine in das Zelt trat. Eine Kristallkugel lag stabil festgesockelt auf einem kleinen Tisch. Eine Stange war darüber aufgebaut und ein schwarzer Rabe hockte auf dieser Stange. Ansonsten war keine Person im Zelt. Etwas verwundert schaute ich mich kurz um, davon ausgehend dass die verantwortliche Person vielleicht kurz auf Toilette war. Doch stattdessen erschrack mich eine Stimme. "Caaaw, leg deine Hand auf die Kugel.", grummelte plötzlich der Rabe. Seine finsteren Augen schauten in die Meinen und beobachteten mich eindringlich. Du kannst sprechen? Wollte ich fragen, doch die Tatsache das es vielleicht als unhöflich angesehen wurde oder sprechende Raben in dieser Welt normal waren, ließen mich zögern den Mund aufzumachen. Stattdessen legte ich zaghaft eine Hand auf die Kugel. Für kurze Zeit herrschte Stille, ehe plötzlich etwas im Raum pulsierte. Ein extrem unangenehmes Gefühl machte sich an meiner Hand breit, doch ich konnte sie nicht zurückziehen. Das Innere der Kugel färbte sich in ein helles Cyanblau. Plötzlich formten sich zwei schemenhafte Augen in der Kugel, eine schwarz, die andere rot. Das pulsierende Gefühl stieg an, soweit das ich kaum noch atmen konnte. Nach Luft ringend schaute ich zu dem Raben, nur um kurze Zeit später festzustellen, dass wieder alles beim alten war. Lediglich mein Körper war Schweißgetränkt. "Caaaw, willkommen Novize. Warte auf der anderen Seite des Zeltes. Zu Maurax werde ich die Novizen bringen. DER NÄCHSTE!" Der Rabe schien Probleme mit seinem Satzbau zu bekommen. Offensichtlich waren Raben nicht gut darin lange Reden zu schwingen? Den Raben eine kurze Weile noch neugierig musternd, verließ ich das Zelt und stand nun alleine, wartend.

Angst hatte ich nicht, war gelassen. Egal was das Ergebnis sein würde, ich hatte meinen eigenen Weg, schweifte mein Blick gedankenverloren zum Himmel. Reichte die Reihe aus dem Augenwinkel zu beobachten. Aufmunternt zwinkerte ich Celine zu, auch wenn sie es nicht sehen konnte, vermutete dass ein Schulterklopfer ihr nicht gefallen würde. Lautlos lachte ich, als sie auf der anderen Seite des Zeltes herauskam. Passte ja zu ihrem Glück.
Interessiert musterte ich den Raben, zog leicht eine Braue hoch das es ein Rabe war, sagte aber nichts. Verständlicherweise folgte ich der Anweisung, das unangenehme Gefühl ignorierend. Viel faszinierter war ich von den Flügeln die aufflackerten, nur um überstrahlt zu werden von dem nahezu gleißendem violett dahinter. Huh. Passte ideal zu meine Kleidung, nur dass die natürlich nicht leuchtete, abgesehen von dem irritierenden Schriftzügen. „Caaw, noch ein Novize! Guuut. Mir folge zu Maraux.“ Nun, wir konnten zusammen bleiben. Wäre unfair für Ray gewesen ihre Orientierungshilfe zu verlieren.

Es dauerte keine drei Minuten, ehe das Zelt sich öffnete und ein Rabe herausschoss. Folgen tat ihm Bo. Natürlich konnte das nur bedeuten das er diese kleine Prüfung bestanden hatte, weshalb ich ihm emotionslos einen Daumen nach oben schenkte. Der Versuch zu Lächeln wirkte jedenfalls zu gekünzelt, auch wenn es meine wirklichen Anstrengungen waren. Konnte man eben nichts tun.

Dem Raben folgend erreichten wir das Ostlager. Glücklicherweise hatten wir alles an Privatzeug am Körper, andernfalls würde es sicher umständlich sein, daran zu kommen. Zumindest glaubte ich das. Der Rabe flog in ein Zelt und als wir eintraten, erkannten wir eine recht zierliche Gestalt. Er hatte kurze schwarze Haare und trug einen langen roten Mantel. Seine Züge waren recht ansehnlich und eine Brille rundeten das Bild eines intelligenten Mannes vollständig ab. Inquisitor Maraux war ein heftiger Kontrast zu unserem letzten Offizier. "Da seid ihr ja.", lachte er leicht und machte einen recht freundlichen Eindruck. Auffällig war das es die selbe Stimme war, wie der Rabe zuvor. "Sicher habt ihr viele fragen, doch das besprechen wir am Besten beim Frühstück. Ihr beide werdet von nun an zusammen leben im Zelt hinter meinem. Geht euch waschen und zieht euch die Novizenroben an, die ich für euch vorbereitet habe. In einer Stunde treffen wir uns hier. ", erklärte er uns und verschob damit das klärende Gespräch weiter nachhinten.

Ok. Celine hatte offiziell die emotionalen Kapazitäten eines Vulkaniers. Ob sie irgendwas hatte was uns verbinden würde war noch fraglich. Ich war erleichtert, dass der Rabe nicht tatsächlich unser Lehrer war. Das hätte es doch etwas kompliziert gemacht. Doch den Mann mochte ich dann auch erstmal nicht, jedenfalls nicht verglichen zu dem Drillmaster – bei dem wusste man wenigstens woran man war, hier müsste ich mehr Energie aufwenden eine Fassade zu bewahren bloß weil es keine bessere Option gab. Ray hatte da ganz gut erkannt, dass ich viele Masken trug, keine davon gerne.
Vorläufig erwähnte ich nichts von ihr. Zum einen schien Celine empfindlich, zum anderen wollte ich nicht dass sie deswegen rausgeschmissen wurden. Wer wusste schon wie die sowas handhabten. Erstmal fertig machen, dann Frühstück. Die Roben zog ich ja noch an, wenn auch mit den selben Kompromissen wie vorher, meine eigenen behalten. Und waschen... ich war noch nicht bereit meine Handschuhe beobachtet auszuziehen. Also war das mehr kurz und praktisch, stelle ich allerdings erstaunt fest dass die Handschuhe wasserfest waren.

Weniger Skrupel als Bo besitzend stieg ich in die Wasserwanne, die man uns vorbereitet hatte. Natürlich nicht nackt, sondern in Unterwäsche, besser als mit Handschuhen ins Wasser zu gehen. Etwas neugierig betrachtete ich kurz wie sich Bo anstellte und lehnte mich anschließend zurück, nicht nachschauend ob er nun doch ins Wasser stieg oder nicht. Ich für meinen Teil genoss es, endlich die Wunde reinigen zu können und gleichzeitig den geschundenen Körper etwas zum Entspannen zu bringen. Von der Reise gar nicht zu sprechen, allein der Druck mit der Kristallkugel hatte meine Kleidung durchweicht.

Kurze Zeit später kam ich heraus, trocknete mich anständig ab und zog schließlich die neuen Kleder über. Genau wie die Uniform, passten sich die Roben an unsere Körpergröße an und ich konnte weiterhin problemlos die Kleidchen darunter verstecken. Mit hungrigen Magen folgte schlussendlich dann das Frühstück im Zelt des Inquisitors. Er begutachtete uns ruhig, während wie aßen. "Pete Maurax. Wir werden ab morgen aufbrechen. Eure eigentliche Ausbildung beginnt in einer Abtei, nicht weit von hier.", erklärte er kurz angebunden. "Weder werde ich Fragen über eure Person, noch eurem Umfeld stellen. Solange ihr keine Spione seid oder Hintergedanken habt, habt ihr nichts zu befürchten" Seine Stimme war etwas zu ruhig, aber voller selbstbewusstsein.

Irgendwann würde ich mich schon waschen, sah nur nicht ein es jetzt sofort zu tun. Vielleicht am Abend, wenn es dunkel war. Kaltes Wasser machte mir wenig aus. Anders als sie war ich auch nicht verletzt, fühlte mich nicht geschunden von ein klein wenig Sport am Morgen. Lag vielleicht auch daran, dass ich mein Leben lang dem Adrenalin nachgelaufen war, nie wirklich findend was ich suchte.
Beim Frühstück langte ich dennoch zu, wer wusste schon wann die das nächste Mal Essen hatten. Hier hielt mir wenigstens niemand Vorträge über all die Fehler die ich angeblich verbrochen hatte. Leicht nickend deutete ich nur an alles gehört zu haben und warf dann meinen Namen in den Raum: „Bo.“ Ob er nun verstand dass es als solches gemeint war interessierte mich herzlich wenig.

Ich zögerte ebenso wenig wie Bo ins Essen zu hauen, schließlich war ich enorm hungrig, nachdem ich gestern lediglich einen Apfel gegessen hatte und heute noch gar nichts. "Celine.", stellte ich mich ebenfalls recht knapp vor, schon ein wenig überrascht das Bo sich nicht mit vollem Namen vorstellte. Schließlich versuchte er recht oft eine Rolle einzunehmen, ins besondere in so einer Umgebung. Aber hey, wer war ich schon um ihn zu urteilen?

Der Mann nickte, offensichtlich zufrieden genug mit unseren Reaktionen um nicht weiter nach zu fragen.  Er ließ uns in Ruhe essen und tat selbiges. Offenbar waren wir auch die beiden einzigen Novizen des Lagers, was auch immer der Rang eines Novizen für uns bedeutete. "Wir brechen morgen um 6 Uhr auf. Legt euch rechtzeitig schlafen. Für den Rest des Tages ist euch frei gestellt was ihr tut, versucht nur nicht die anderen Soldaten zu stören." Er hob einen Haufen Bücher auf den Tisch. "Sollte es euch belieben etwas sinnvolles zu tun, hier ist etwas magere Lektüre. Damit könnt ihr euch einen ersten Eindruck von der Inquisition machen." Und mit diesen Worten ließ er uns alleine. Immer noch etwas vom leckeren Frühstück im Mund kauend, schnappte ich mir eins der Bücher und begann zu lesen. Der Autor schien alte Sprache zu verwenden, auch wenn ich mir echt nicht sicher war, warum ich die Schrift in einer fremden Welt verstand. Kurz überlegend schaute ich zu Bo. "Hey? Aus welchem Land kommst du eigentlich? Wir sprechen die selbe Sprache, aber wenn ich mir das Buch hier so ansehe...", nachdenklich hakte ich ab, bemerkbar jedoch das ich in ganzen Sätzen sprechen konnte. "Bin aus Österreich." Ob meine Theorie stimmte?

Sie mochte anderes vermuten, aber ich mochte meinen vollen Namen nicht, nutzte ihn ausschließlich wenn ich dazu gezwungen war oder einen deutlichen Vorteil sah. Hier hätte ich genau so gut einen falschen angeben können, hatte uns doch niemand vorher gefragt oder registriert, nur sah ich darin auch keinen Nutzen. Also eben nur Bo.
Um 6 aufbrechen hieß früher aufstehen, aber das konnte ich vertragen. Vor allem mit Freizeit. Angesichts der Bücher runzelte ich nur unmerklich die Stirn, aß definitiv in Ruhe mein Frühstück ehe ich die Titel betrachtete. Wäre sicher ein Vorteil das zu lesen, mangelte es auch nicht an meiner Kapazität dazu – eher Unwillen einen Tag gutes Wetter sinnlos zu versitzen. Ob die mich wohl vorläufig noch mit dem Schwert üben lassen würden? „Spielt das hier eine Rolle?“ fragte ich zurück, nicht gewillt über meine Vergangenheit zu sprechen. Ganz davon abgesehen, dass sie sich die Frage selbst beantworten konnte, wenn sie am Anfang zugehört hatte.

"Nicht mehr.", erklärte ich murmelnd, hatte ich doch schon meine Antwort aus seiner Reaktion. War ich mir vorher nicht im klaren gewesen ob wir aus dem selben Land kamen und er nur auf Reisen war, konnte ich seiner Körpersprache durchaus entnehmen, das er in Shanghai lebte. Nachdenklich grübelte ich über meine Theorie nach. Diese Welt übersetzte also alles in die eigene Sprache? War das hier überhaupt real? Insgeheim rätselte ich ob wir vielleicht in einer VR-Welt steckten, doch dass hier fühlte sich alles viel zu real an.

Bemerkend das Bo offensichlich den Tag nicht mit Lesen verbringen wollte, zog ich die Bücher näher an mich heran. "Ich les mir das Zeug durch und gib dir heut abend ne Zusammenfassung.", schlug ich vor und lächelte schwach. Ein Hauch Verständnis schwang in meiner Stimme mit. Außerdem war er sicher besser darin das Lager zu erkunden oder mit den Leuten hier zu sprechen. Ich war sozial ne Niete, und ich schämte mich nicht dafür es zuzugeben.

Zugegeben hätte ich es, nur hatte sie nicht direkt danach gefragt. Und wie sie sagte, es spielte keine Rolle mehr. Ganz davon abgesehen, ich hatte genug von meinem Gesicht in der Messerscheide gespiegelt gesehen dass mir klar wurde, wie anders ich aussah. Nicht mehr so typisch asiatisch, sondern rötlichere Haare, blaue Augen. Minimale Abweichungen, gerade genug um nicht auf Anhieb erkannt zu werden – alles was ich je gewollt hatte. Nur die Narben waren geblieben, doch die gehörten auch zu mir.
Bei ihrem Angebot verdunkelte sich mein Blick aber. Ich hatte noch nie in meinem Leben geschummelt, nicht vor jetzt damit anzufangen, selbst wenn es nur um solche Kleinigkeiten ging. Ganz davon abgesehen kannte ich sie kaum, wusste nicht ob ich ihr Vertrauen konnte. „Ich kann selber lesen.“ entgegnete ich nur zurück, verließ prompt den Tisch. Ohne Buch. Der Tag hatte genug Stunden um das noch zu machen, gesellte ich mich vorläufig lieber zurück zu der anderen Gruppe, hielt mich abseits genug um nicht aufzufallen, beobachtete allerdings, folgte den Übungen. Horchte auf die Gespräche unter den anderen.

Etwas verwundert schaute ich Bo nach. Hatte ich was falsches gesagt? Vielleicht war das ja auch einfach ein Tick von ihm? ... Ray war in so was einfach besser. Schnaufend und seufzend zu gleich, wittmete ich mich voll und ganz den Büchern. Im Grunde handelte es sich um eine gewaltige Sammlung Geschichte, die ich bei weitem nicht auswendig lernen wollte und auch konnte. Allerdings blieben die interessantesten Stellen im Kopf hängen. Die Inquisition war also wirklich eine Organisation für Magier. Sie jagten Spione, Magier, oder halfen der Armee oder dem Adel. Im Grunde sorgten sie für Stabilität und Ordnung. Anders als in unserer Welt verbrannten sie aber offentlich keine Hexen ohne ausreichende Beweise. Herausgefolterte mal ausgeschlossen. Es gab insgesamt sechs Ränge in der Inquisition: Novize, Akolyth, Disciple, Inquisitor, Großinquisitor und Ordensmeister. Ab Disciple wurde einem Magie von einem ausgewählten Meister gelehrt. Wohl noch ein weiter Weg, zumal es eine Prüfung gab um vom Akolyth zum Disciple aufzusteigen. Und die Überlebensrate war relativ gering.

Es war bereits späterer Nachmittags als ich endlich aufsah. Mein Rücken fühlte sich etwas steif an und meine Augen waren schwammig. "Zulang gelesen...", seufzte ich in Gedanken und schloss das Buch. Zumindest hatte ich es geschafft den Großteil zu überfliegen. Und ich war mega gespannt! Was wohl meine Magie sein würde? Aber die Prüfung zum Disciple war ein Problem. Aber vielleicht...nur ganz vielleicht...konnte Ray mir ja helfen? Sie hatte kein Problem damit zu kämpfen oder es zu lernen - zumindest war das meine Vermutung. Kopfschüttelnd verließ ich das Zelt. Niemals würde ich Ray verzeihen oder sie machen lassen! Wegen ihr hatte ich kein Leben, oder besser, kein lebenswertes Leben. Wie würde ich da mit ihr zusammenarbeiten können?

Was sie aus Stunden an Büchern lernte, hatte ich recht fix nur aus zuhören zusammen. Alles wichtige jedenfalls, was diese Inquisition machte, die Ränge. War in diesem Krieg jedenfalls die bessere Seite als wenn wir Fußsoldaten waren. Allein schon weil das hier mehr Ausbildung erforderte als kämpfen, wir am Ende wertvoller wären. Auch mehr Freiheit, sah man Magier doch nur in selbstorganisierten Kleinteams, nicht in vollständigen Truppen unter hartem Kommando.
Dementsprechend hatte ich genug Zeit mich auszupowern, ein paar neue Bewegungen zu lernen und kam dann deutlich gelassener am Nachmittag zurück. Ohne weitere Worte nahm ich mir eins der Bücher und warf mich auf das Bett, fing an zu lesen. Wenn sie immer noch ihre Zusammenfassung geben wollte, ich würde sie nicht aufhalten.

Mir etwas die Beine vertretend schlenderte ich durchs Lager, jedoch ohne wen anzusprechen oder mich überhaupt bemerkbar zu machen. Ich hatte ein Talent dafür unsichbar zu sein, war in der Schule schon nicht anders gewesen. Freunde suchte man bei mir vergeblich. Andererseits war mir das ganz recht, schließlich nahm so keiner Notiz von meinem Zustand und ich war ungestört. Bo war aktuell auch nur Mittel zum Zweck. Selbst als introvertiertes Ding war mir bewusst das es komplizierter werden konnte eine unbekannte Welt allein zu erkunden. Nach dem kurzen Spaziergang verzog ich mich ins Zelt auf mein Bett und las weiter, diesmal nur ein Buch, dafür jedoch das interessantere von Ihnen. Es waren Einsatzberichte, auch wenn sie sich mehr wie Romane lasen. Bo bemerkte ich nur am Rande als er ins Zelt stieß, nickte lediglich etwas und versank dann wieder in der Lektüre, ihm nicht wie angeboten die Sachen zusammenfassend. Immerhin wollte er ja selbst lesen und spoilern hielt ich für unhöflich.