Alternate Arcaria

Unsanft wurde ich in eine Zelle geschmissen, irgendwo tief unter der Erde wo ich nicht so leicht wegkäme, selbst wenn da nicht die Magie wäre. Irgendwas fühlte sich falsch an, auch wenn ich es nicht sicher sagen konnte, zu wenig Erfahrung hatte, zu wenig Kontrolle. Wie auch, nach kaum einem Monat Wanderung durch diese seltsamen Lande, dürftig beschützt von den seltsamen Steinen, die letzten Endes auch nicht verhindert hatten dass mich nachts jemand überfiel. Irgendwann musste auch ich schlafen, war nicht jede Strecke kurz genug um durchzumarschieren. Und jetzt war ich hier. In den Händen einer Gruppe der ich mich schon aus Prinzip nicht anschließen wollte, die ihren Punkt nach einiger Diskussion aber auch mit Gewalt umzusetzen versuchten. Weswegen ich jetzt auch grün und blau geschlagen war, mich mit einem Stöhnen auf die Seite drehte und meine aufgeschlagene Lippe befingerte, das Blut abwischte. So leicht würden die mich aber nicht kleinbekommen. Da ich so schnell nicht schlafen würde fing ich an vor mich hin zu summen – Musik hatte mir bisher immer geholfen wieder zur Ruhe zu kommen. Und soweit ich das in dem kurzen Moment Lichtschein von der Tür mitbekommen hatte, war hier ja sonst niemand.

Benommen lag ich auf dem Boden einer kühlen, dunklen Zelle, einzig beleuchtet durch einen schwachen Lichtschein jenseits der Tür, die mich hier gefangen hielt. Ein wenig hoffnungslos betrachtete ich mich in einer Pfütze, entstanden aus der hohen Feuchtigkeit hier unten, und erkannte mich kaum wieder. Stechend rote Augen, die Lider mit Blut untermalt. Die Haare weiß, aber schmutzig, genauso wie meine Haut, hatte ich seit Tagen doch kein anständiges Bad mehr nehmen können. Dazu war beides sehr brüchtig und mein Körper hatte über die letzte Woche gefangenschaft stark zu leiden gehabt. Nicht nur das zwei große Narben an meinem Rücken starke Schmerzen verursachten, sondern jeder einzelne Faser meines Körpers brannte unaufhörlich. Die Augen juckten, hatte das Gefühl jeden Moment zu erblinden und dazu kam die starke Rötung, ausgelöst von den Tränen der vergangenen Tage. Lediglich in einigen schmutzigen Stofffetzen gehüllt, war ich in tiefe Gedanken versunken.

Erst bemerkte ich gar nicht, wie eine leise Melodie von außerhalb der Zelle zu kommen schien, doch mit der Zeit wurde es lauter, obwohl der Stimmklang sich nicht veränderte. Ob ich wohl für einige Zeit taub gewesen war? Ich zog mich über den Boden, näher an die Tür heran und lehnte mich mit dem Kopf gegen die Wand, zu erschöpft mich richtig aufzusetzen. Ich hatte seit Tagen nichts mehr gegessen und Wasser gab es auch nur sehr selten. Dabei hätte ich letzteres mehr als nötig. Ich versuchte zu lauschen. Anfangs verstand ich nur ein leises summen, doch je mehr ich mich darauf konzentrierte, desso klarer wurde die Melodie. Das Lied kannte ich doch? Ich öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch schnell stellte ich fest, das meine Stimme den Dienst versagte. Also begann ich auch zu summen, im gleichen Takt wie mein Musikpartner. Erst war es sehr schwach, doch nachdem sich meine Stimmbänder daran gewöhnt hatten, wurde das Summen akurater. Es fühlte sich an wie ein kleines Stückchen Heimat.

Zunächst nahm ich gar nicht war wie jemand in mein Stück einstieg, hörte selbst dann nicht auf sondern führte es fort bis nach meinem Zeitgefühl eine halbe Stunde vergangen war. Dann hörte ich auf. Streckte mich vorsichtig, ein paar Wunden wieder aufreißend aber auch meine Beweglichkeit erhaltend. Ich hatte vor zu kämpfen wenn sie mich das nächste Mal holen wollten. Dafür brauchte ich Ruhe, aber auch Bekanntschaften zu knüpfen wo es ging schadete nie. Also: Kontaktaufnahme. Lange war ich über der Überlegung nicht still gewesen, hatte nebenher bereits darauf geachtet dass keine Geräusche von Wachen zu hören waren... aber die schienen uns hier zu ignorieren. „Hey. Netter Musikgeschmack, Cousin“ Da sie mein Summen gehört hatte machte ich mir nicht die Mühe laut zu rufen, redete einfach vor mich hin. „Ich vermute mal du bist dann auch nicht von hier – und so ein bisschen was von König der Löwen hat die Situation doch, hm? Verrückte im Land des Lichts, Schatten und Schmerz bringend und wir bunte Vögel mittendrin. Wobei, wenn wir hier schon Rollen verteilen, bin ich Timon. Glaubst du mir würde ein Hula stehen? Ach nein, du hast mich ja nie gesehen... oder hast du? Blaue Augen, lange blonde Haare, irgendwie asiatisch...“ Tat gut einfach vor mich hin zu reden, ehe ich pausierte um Raum für eine Antwort zu lassen.

Eine halbe Stunde verging, ehe unser Duett langsam endete. Meiner Stimme hatte es nicht wirklich geholfen, eher im Gegenteil, doch dafür hatte es gut getan, einfach jemanden zu treffen, der einen nicht folterte oder durch die Gegend schleifte. Als der Junge losredete hörte ich ihm aufmerksam zu. Es war wie eine Erklärung woher er das Lied hatte, nachdem er nun kontinuierlich und ausschließlich die ersten vier Stropfen gesummt hatte. Ich war nie ein Freund von uralter Musik gewesen, aber in der Schule hatte ich es auswendig lernen müssen, wie auch der Rest der Klasse. Mein Kopf ratterte, als ich mir seine Beschreibung bildlich vorstellte und musste etwas sarkatisch kichern, wenn gleich auch nur ein leises und schwaches: "Asiatisch...ist..gut" dabei heraus kam. Vor meinem inneren Auge hatte sich das Bild eines schlitzäugigen Asiaten breit gemacht dessen Merkmal groteskte Ausmaße annahm. Dennoch, meine Stimme war immer noch ziemlich brüchig, weshalb ich im Augenblick eher beschloss nur etwas zu sagen, wenn es etwas wesentliches war. Ein dumpfes Pochen war in weiter Entfernung zu hören, doch das Echo hallte bis zu uns durch. Vermutlich würde bald eine Wache vorbei laufen, vielleicht gab es auch endlich etwas zu trinken.

Ah. Mein Zellenpartner war also ein Mädchen. Etwa mein Alter, selbst wenn das nur anhand drei weniger Worte schwer einzuschätzen war. Klang als wäre sie schlimmer dran als ich. Tolle Aussicht. „Toll“ entgegnete ich mit einem leichten Lachen, abbrechend und scharf einatmend weil das wehtat. Rippenprellung vermutlich. „Wir haben auch das besser Essen. Ich mein, nichts gegen Pizza, aber hast du schonmal gefüllte Teigtaschen probiert? Und nichts geht über süß-saure Soße und Hähnchen. Aber ich sollte hier nicht von Essen reden, bezweifle dass die etwas anständiges haben..“ Ob ich versuchen sollte zu fliehen, sobald jemand reinkam? Oder erst meine Kräfte sparte, hoffend dass es später nicht schlimmer würde? Eins war klar: kooperieren würde ich nicht. Nach dem Anfang war offensichtlich dass es nicht meins war. Ganz davon abgesehen dass ich gern meine Freiheit hatte. „Zazu, glaubst du wir kommen hier raus?“ Vielleicht hörte sie das leise Murmeln nicht mal. Ich sollte schlafen. Nicht reden, wenn die Wachen es hören könnten.

Mein Magen knurrte unfreiwillig, als er von Essen anfing. Das war echt grausam und ich wand die Stimme nicht ihn bei der Beschreibung zu unterbinden. Stattdessen schlichen sich wieder Bilder in meinen Kopf, ein weiteres groteskes Bild eines Hähnchens an einem Spieß. Wenn ich hier rauskam, war kein Bauernhof mehr sicher! "Un...wahr...schein..", murmelte ich zurück, kaum bemerkend das ich das leise Gemurmel besser verstanden hatte, als ich eigentlich hätte sollen. Die dumpfen Geräusche kamen immer näher, doch dann wurden sie plötzlich wieder leiser und entfernten sich. Seufzend schloss ich die Augen und versuchte etwas Ruhe zu finden.

Vermutlich einige Stunden später, weckte mich das rascheln eines Schlosses. Mit einem lauten Klick-Geräusch öffnete sich meine Tür und zwei abartige Gestalten, dessen Bezeichnung ich nur als Horglinge kannte, kamen herein und hoben mich an beiden Seiten mühelos nach oben. Man konnte nicht gerade sagen das sie besonders sanft dabei waren, während zusätzlich meine Füße am Boden entlangschleiften. Doch während sie mich den Gang entlangführten konnte ich einen flüchtigen Blick in die Zelle werfen, von der aus das Summen hätte kommen müssen. Es war nur ein kurzes, verschwommenes Bild. Doch die Person hatte nicht gelogen, als er von blonden Haaren gesprochen hatte. Für einen Bruchteil einer Sekunden lächelte ich in die Richtung, ehe man mich außer Reichweite zog.

Ihre Antwort hörte ich natürlich nicht, blieb angesichts der Geräusche von draußen auch leise, wollte keine unnötige Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Und war dann auch schneller weggedämmert als gedacht, mein Körper sich die Ruhe nehmend die es brauchte. Erst Geräusche vor der Tür ließen mich aufschrecken und an die Tür treten, hauptsächlich weil das wenige Licht vielleicht half einen Weg hinaus zusehen. Die langen, weißblonden Haare waren natürlich ein Blickfang, besonders in flackerndem Feuerschein. Ich konnte nur ahnen dass es Zazu war, lächelte zurück und prägte mir ihr Aussehen ein. Wenn – wenn – ich hier rauskam, würde ich versuchen sie mitzunehmen. Dafür müsste ich aber erstmal einen Plan haben...

Stunden vergingen. Ich wusste nicht, ob das Zeitgefühl durch den intensiven Schmerz oder der nachfolgenden Bewusstlosigkeit zustande kam, doch klar war, das mein Körper diese Prozedur nicht mehr lange ertrug. Trotz der Heiserkeit hatte mir die Dämonin immer noch einen Schrei herauskitzeln können, der wie ein Echo durch den Untergrund gehen musste. Es war ihre sadistische Art "Freude" zu empfinden, so schätzte ich es ein. Nach gefühlt einem ganzen Monat in dieser Kammer und der Tatsache das meine Bewusstlosigkeit meiner Peinigerin wenig "Freude" bereitete, schleifte man mich den Weg zurück. Etliche neue Wunden zierten die sichtbaren Stellen meines Körpers. Blut, welches an der Haut klebte, entstammt aus etlichen Kratzern und Striemen. Lediglich mein Gesicht blieb verschont, wenn gleich die Augen wieder stark angefangen hatten zu bluten. Die Haare zerzauselt, das bisschen Stoff an meinem Körper weiter zerrissen, warf man mich eher achtlos zurück in die Zelle. Mein Atem war flach, aber unregelmäßig - nicht mitbekommend was um mich herum passierte. Und als sich die Zellentür schloss, wandten sich die Horglinge ihrem nächsten Ziel zu.

Ich hatte mir nicht anmerken lassen wie es mich mitnahm dass das Mädchen gefoltert wurde, wie es mich bei jedem berührt hätte. Natürlich war es nicht meine Schuld, doch niemand verdiente es so behandelt zu werden. Stärkte meinen Plan hier rauszukommen und sie mitzunehmen, selbst wenn wir uns praktisch nicht kannten. Und ich würde nicht warten bis sich die perfekte Gelegenheit ergab, ahnte dass ich dann vielleicht nicht mehr in der Lage wäre zu reagieren. Wer wusste ob ich überhaupt Erfolg hatte. Aus der Zelle zu kommen war eine Sache, doch was danach? Jedenfalls hatte ich einen vagen Plan, setzte den um sobald die Wachen zurückkamen, hatte mich bereits als sie vorbeigingen im Dunkeln gehalten, regte mich nicht als an der Tür gerüttelt wurde. Sie öffnete nach innen und das war meine Chance – direkt dahinter stehend schwang ich mich auf den oberen Teil der Tür, lautlos, bedacht dass mein Gewicht nicht auffiel und mich dicht gegen die Wand und Decke drückend. Wie erwartet schauten sie nicht nach oben, nur kurz hinter die Tür und liefen dann aufgeregt weg, anscheinend denkend ich wäre ausgebrochen. Vergessend die Tür richtig zu schließen. Kaum wartend bis es sicher war huschte ich hinaus, schloss die Tür ebenfalls nicht – sollte ich hier nichts finden würde ich hoffentlich schnell genug zurück sein um so zu tun als wären die Wachen gar nicht da gewesen, hätten sich mein Verschwinden nur eingebildet. Hektisch schaute ich mich um, suchte nach einer Waffe, einem Schlüssel oder etwas das sich als Dietrich verwenden ließ, versuchte mich zu orientieren und einen Ausweg zu finden.

Langsam kam ich erst wieder zu mir, als eine Art lautes Grunzen durch den Korridor hallte und sich hektische Schritte in beide Richtungen bewegten. Der Boden war immer noch so feucht und unangenehm, wie ich ihn mir in Erinnerung hatte und ich war mir nicht sicher ob ich mich überhaupt bewegen konnte, fiel jeder Versuch eher dem Schmerz zum Opfer. Aus einiger Entfernung konnte man Stimmen in einer tiefen, für mich nicht verständliche Sprache vernehmen, ehe das Echo vieler weiterer Schritte durch den Korridor jagte, unfähig ihren Zielpunkt genaustens zu bestimmen. Das die Wachen so in Aufruhr waren, konnte nur bedeuten, dass einer der Insassen geflohen war. Ob es der Blondhaarige wohl geschafft hatte? Ich wäre erleichtert zu wissen, dass ihm mein Schicksal erspart geblieben wäre. Da meine Zelle absolut leer war, blieb mir nichts anderes übrig, als die Augen zu schließen und weiter Kraft zu sammeln. Morgen würde die Tortur weiter gehen und ich hatte nicht grade große Vorfreude auf dieses Event.

Was ich fand: ein schartiges Messer, ein Stück Draht gerade lang genug für einen Dietrich, ein halber Laib schales Brot, Wasserbeutel, halb gefüllt. Nichts wirklich hilfreiches, nicht genug zum entkommen. Und die Wachen hatten schneller reagiert als gedacht, würde ich es nicht zurück schaffen. Aber zu jemand anderem. Zazu. Natürlich hatte ich mir gemerkt wo ihre Zelle war, sie schlicht nicht geöffnet weil es nichts brachte sie mit hineinzuziehen, falsche Hoffnung zu machen. Jetzt war es bei ihr am sichersten, einfach weil mich keiner in einer anderen Zelle erwarten würde und keiner so schnell nach ihr sehen würde nachdem sie gerade erst zurück gebracht wurde. Zum Aufschließen blieb nur keine Zeit, weswegen ich einfach auf meine eher unzuverlässige Fähigkeit vertrauen musste... und die Sachen fest an mich drückend direkt auf die Tür zu rannte, die Augen zukneifend. Entweder das klappte. Oder ich konnte mich genauso gut selbst ausliefern. Glück im Unglück, es klappte, auch wenn ich sehr unsanft und disorientiert aufkam, mir ein Stöhnen verkniff um mich nicht zu verraten. Und nur eine Hand über Zazus Mund presste damit auch sie nicht auf und aufmerksam machte.

Ein Windzug fuhr durch meinen Körper, als plötzlich eine Person wie aus dem Nichts auftauchte. Es war kein Windzug wie man ihn an der Oberfläche erwarten würde ... mehr eine Art magischer Ping - eine Warnung?
Mit großem Interesse beobachtete ich die Gestalt kurz, welche mir etwas hastig den Mund zuhielt. Er schien ein Stück weit zu aufgeregt zu sein, um zu bemerken, das ich nichtmal in der Lage war zu schreien, selbst wenn ich es gewollt hätte. Sanft klopfte ich zaghaft mit einer Hand an seinem Arm, der meinen Mund zuhielt und deutete schließlich, als ich seine Aufmerksamkeit hatte, auf seine Hand. Die Geste zwar verstehend, war es dennoch ziemlich unangenehm.
Auch wenn der Raum immer noch sehr dunkel war, konnten wir uns jetzt aber endlich aus der Nähe betrachten. Er entsprach wirklich komplett seiner Beschreibung, auch wenn ich innerlich darüber kichern musste, dass er keine Schlitzaugen hatte. Im Vergleich zu mir, schien er jedoch nur ein paar oberflächliche Kratzer und blaue Flecken eingesteckt zu haben, während ich vermutlich einen ziemlich erbärmlichen Eindruck machen musste.

Ich meinte meine Reaktion nicht böse, wollte einfach die Chance nicht vertun und war die ersten Momente auch zu beschäftigt die Tür im Auge zu behalten um zu realisieren dass Zazu mich kaum verraten konnte. Brauchte nicht viel einer Aufforderung ehe ich sie losließ und entschuldigend anlächelte. Ansehen musste ich sie gar nicht, wusste bereits wie sie aussah – angesichts der Verletzungen brach ich nur das Brot durch und hielt ihr die Hälfte hin. „Da ist auch Wasser.“ Brauchen konnte sie das noch eher als ich. „Ich ruh mich hier einfach ein bisschen aus und dann...“ Keine Ahnung. Raus aus der Zelle käm ich schon dank Dietrich, doch wohin? Einen Ausgang hatte ich nicht gesehen. Und an den Wachen ging es kaum so leicht vorbei. Seufzend fuhr ich mir durch die Haare, lehnte mich gegen die Wand. Der Schwindel von dem Sprung machte es nicht besser, auch wenn ich wusste es würde vorbei gehen.

Er musste mir kein zweites Mal die Hälfte eines Brotes anbieten. Ich schnappte es mir, wollte es fast schon gierig in den Mund stopfen, doch ich rief mich selbst zur Besinnung. Mir war klar, dass es dadurch nur schlimmer werden würde, weshalb ich einfach nur dankbar ein paar kleine Stücke zu mir nahm und sie mit etwas Wasser nachspülte. Am Liebsten hätte ich mir auch etwas Wasser über den Kopf geschüttet, doch es war zu Wertvoll um es so zu verbrauchen. Ich räusperte mich etwas, versuchte meine Stimme zu finden, nachdem ich etwas getrunken hatte. Das Resultat war etwas bemitleidenswert, doch immerhin konnte ich mich sehr heiser verständigen. "Was war das eben?", fragte ich leise. "Wenn du einfach durch Türen laufen kannst wie ein Geist ... warum bist du noch hier?", ich hatte jedenfalls von noch keiner Magie gehört, mit der so etwas möglich war, geschweige denn sie gesehen. Eine Art Spektralform oder vielleicht Teleportation? So oder so, die Frage blieb die Gleiche, auch wenn ich ihn weiterhin ruhig ansah, versuchend in einer angenehmen Position zu sitzen, damit die etlichen Wunden nicht schmerzten.

„Frag mich was leichteres“ murmelte ich nur, hatte selber keinen Schimmer wie das funktionierte. Oder warum ich es hatte. „Es ist nicht einfach. Es macht mich müde und schwindlig und es funktioniert nicht mal immer, außerdem...“ leicht klopfte ich gegen die Wand. „...sind wir unterirdische. Da ist nichts wo ich hinlaufen könnte. Und mit all den Wachen und dem halben Labyrinth über uns...“ Wenn es so leicht wäre hier rauszulaufen hätte ich es sofort getan, ohne einen Gedanken an jemand anderen zu verschwenden. Die hatten mich nicht ohne Grund angegriffen, wäre jemand besseres vermutlich gar nicht erst erwischt worden – während ich schon froh war zu wissen dass es eine Fähigkeit war die ich herbeirufen konnte und nicht bloß Zufall. Aber so recht einen Plan weiter hatte ich nicht, kam nicht auf die Idee es nach etwas Ruhe zu versuchen doch weiter zu kommen, bis an die Oberfläche, in Sicherheit.

"Macht Sinn.", erwiderte ich nur und knabberte weiter an dem Brot. Es war nur eine kleine Mahlzeit und keine besonders Appetitliche, doch mein Magen sah das wirklich anders. "Jedenfalls, die holen mich erst morgen zur selben Zeit ab. Solange kannst du dich ausruhen. Du wirst die Energie brauchen wenn du morgen von hier fliehen willst." Mit seiner Fähigkeit dürfte das ein Klacks sein, selbst wenn er sie noch nicht richtig beherrschte. Die Wachen waren zwar in der Überzahl, aber ich schätzte sie nicht für besonders helle ein. Jedenfalls implizierte ich gar nicht erst, das ich mitkam - vermutlich war es mit seiner Fähigkeit gar nicht möglich und selbst wenn würde ich ihn vermutlich nur langsamer machen. Von draußen kamen immer noch aufgeregte Schritte, doch keiner würde auf die Idee kommen in einer abgeschlossenen Zelle zu suchen. "Ich leg mich dann noch etwas hin, asiatischer Junge.", meinte ich mit einem schwachen Lächeln, legte mich auf die Seite und schloss die Augen. War ja nicht so das es irgendwas anderes in diesem Raum gab.

Einen Tag hatte ich also. Ein Tag mich zu erholen und einen Plan zu schmieden. Und ich würde Zazu bestimmt nicht einfach zurück lassen. Leicht seufzend bediente ich mich selbst an dem bisschen Brot, würde meine Kraft so oder so brauchen. Ich lächelte sacht bei ihren Worten, hätte ihr gern meinen Namen verraten... doch falls das schiefging würde es sie nur in Probleme bringen. Angesichts der Kälte und Feuchtigkeit legte ich mich dann zu ihr, wusste dass ein bisschen Nähe in so einer Situation mehr Komfort brachte als Worte. Keine Berührungen, einfach jemand der da war. Mein Zeitgefühl war gut genug dass ich vor den Wachen aufwachen würde. Und hier war es ausnahmsweise mal sicher.
Erwartungsgemäß war ich am Morgen dann schon recht früh wach, lief die Zelle auf und ab, immer wieder eine Hand gegen die Wand legend als würde das viel ändern. Ein magisches Portal öffnen. Mich fortbringen. Verzweifelt war ich – noch – nicht, ging einfach schlicht nach meiner Methode vor: Gefühl, endlose Versuche und Hoffnung.

Vermutlich eine ganze Stunde später wurde ich schließlich auch wach, wurde mir nur langsam der Schmerzen wieder bewusst und stöhnte etwas auf, als ich auf eine wunde Stelle rollte. Nein, das war sicher nicht angenehm. Mein Blick wanderte zu Schlitzauge und beobachtete ihn aufmerksam dabei, wie er seinerseits die Wand beobachtete, als würde sie jeden Augenblick dadurch verschwinden können. "Immer noch keinen Erfolg?", fragte ich, immer noch heiser, doch meine Stimme wirkte schon viel natürlicher, als es gestern noch der Fall gewesen war. Zum ersten Mal seit Tagen versuchte ich aufzustehen, kam dabei leider nur etwas schwankend auf die Beine, ehe ich wieder einknickte und mich auf dem Boden abstützen musste. Resignierend rollte ich mich zur Seite und seufzte "Denke ich bin dir dabei keine große Hilfe.", gab ich zu und wuschelte mir etwas im Haar herum.

Irgendein Zeichen von Verneinung sparte ich mir, war die reine Tatsache dass ich noch hier war Antwort genug. Aber ich wollte nicht aufgeben, schon aus Prinzip. Es machte mich wütend und frustriert und das sorgte nur dafür dass ich umso sturer versuchen würde etwas zu erreichen. Was vermutlich ein ganz guter Ansatz war. Fühlte sich jedenfalls richtiger an, selbst wenn ich noch einige lange Momente an einem Punkt stehen blieb und die Wand anstarrte – ehe ich mich recht plötzlich zu ihr drehte und sie hochhob, huckepack nahm. „Hey Krümel – wir werden wieder bessere Zeiten haben.“ Kein Versprechen. Aber ich konnte es versuchen. Und wer sagte denn, dass es schwerer war bloß weil ich jemanden mitnahm? Hatte es bisher immerhin noch nicht ausprobiert. Eine Warnung gab es auch nicht, hielt sie schlicht fest und sprang dann gegen die Wand. Nur dass da jetzt keine war. Und wir auf einer Wiese lagen, in der Sonne. Und ich sie ohne Vorwarnung fallen ließ und mich aufschreiend zusammenkrümmte als meine Körpertemperatur plötzlich um etliche Grad fiel.

Widerstandslos ließ ich mich hochheben, schlang die Arme etwas elegant um seinen Hals, den Kopf an einer Schulter abgestützt. "Wall-E, ich hoffe du weißt was du da tust...", erwiderte ich etwas stutzig, ahnte was er vor hatte, spätestens als er los sprang. Nun wenn es schief ging tat es ihm vermutlich mehr weh, als mir, weshalb ich nur kurz vor dem Aufprall die Augen schloss und einen weiteren magischen Windzug spürte.
Eine ungewöhnliche Wärme durchströmte meinen Körper, als mein Körper auf einen weichen Untergrund traf. Ohne das ich die Augen hätte aufmachen müssen, konnte ich die Sonne auf mir spüren, die Luft von Freiheit um herum. Am Liebsten hätte ich Schlitzauge einfach nur umarmt und ihm gedankt, mich endlich nach Wochen der Gefangenschaft befreit zu haben. Doch kaum hatte ich die Augen aufgeschlagen, hörte ich einen lauten Aufschrei und wandte mich zu dem Jungen. "Hey, alles in Ordnung?", fragte ich besorgt und kroch zu ihm, eine Hand auf seine Stirn gelegt. Er war total kühl und schein auch rein äußerlich zu frieren. Ich fühlte seinen Puls, der sich permanent steigert und einen ungesunden Grad annahm. Am besten wäre wohl ihn zuzudecken, doch die paar Kleidungsfetzen an meinem Körper reichten dafür nicht mal im Ansatz aus. Rasch schaute ich mich um. Zwar gab es hier keine Zivilisation in Sichtweite, doch wir waren direkt neben einer Waldlinie rausgekommen. Ein Feuer würde ihm vielleicht die nötige Wärme zurückgeben, auch wenn die Kälte vermutlich als eine Nebenwirkung seiner Magie entstanden war. Leider war ich in meinem aktuellen Zustand zu schwach ihn rüber zu zerren, weshalb ich kurzer Hand einen Haufen trockenes Holz neben ihm aufbaute und kurzerhand mit einer Rune entzündete. Umsichtig sorgte ich dafür das, die in die Erde gezeichnete, Rune verschwand - wollte nur ungern preisgeben das ich Magie beherrschte, wenn es nicht unbedingt nötig war. Erfahrungsgemäß brachte das nur Unglück mit sich. Erschöpft setzte ich mich auf die andere Seite des Jungen, so dass er nun zwischen mir und dem Feuer lag. Eigentlich bräuchten wir Nahrung und Wasser, bezweifelte aber so schnell etwas zu finden. Vielleicht lockte das Feuer ja einige Bauern an? Schadet wohl nie optimistisch zu sein...

Die Freude darüber dass es geschafft hat, ich Erfolg hatte es willentlich zu rufen, währte nur kurz. War nicht das es wehtat, aber es war furchtbar unangenehm, zu plötzlich, fühlte sich nicht richtig an und war sicher auch nicht gesund. In Ordnung war jedenfalls nichts, wimmerte ich nur, fühlte sich ihre Hand fiebrig im Vergleich zu meiner an. Und es war neu, ich konnte überhaupt nichts tun, steigerte sich mein Körper von ganz allein hinein bis ich nach Atem rang und mich einfach nur auf dem Boden zusammen rollte. Nicht mitbekommen wie sie ein Feuer entzündete und da blieb. Es dauerte bis es mir besser ging, ich wieder normal atmete und nach einer Episode von zittern in der Lage war mich aufzurichten. „Sorry für das“ murmelte ich, hatte sie sich eine Rettung doch sicher organisierter vorgestellt.

Mein Blick wendete sich in seine Richtung, ohne den Kopf dabei zu heben. Das Lachen was nun folgte war aufgrund der Heiserkeit doch etwas grotesk, aber ich konnte es wohl nicht zurück halten. "Es tut dir leid?", wollte ich wissen, als ich mich einigermaßen wieder einkriegen konnte. "Hast du dich eigentlich schon mal umgeschaut? Himmel soweit das Auge sehen kann, grüne Wälder und Wiesen - keine 10 Quadratmeter in die man eingequetscht wird. Wenn ich ein Wookie wäre, hätte ich eine Lebensschuld bei dir abzuarbeiten. Zum Glück bin ich keins dieser Fellknäule. Aber du hast dennoch einen gut bei mir." Jetzt wo wir in der Sonne lagen, war ich ganz froh keinen Spiegel zu haben. Mit den tiefen Furchen und Kratzern am ganzen Körper, den blutigen Augen und der Kleidung bestehend aus nur einem zerrissenen Top, glich ich vermutlich mehr einer Chucky Puppe. Vielleicht war es doch nicht so optimistisch auf Bauern zu hoffen, wenn die mich anschließend auf dem Scheiterhaufen verbrannten? "Gehts denn wieder?", fragte ich dann doch etwas besorgter nach, als wäre mir erst entgangen, das er aufgrund seiner Fähigkeit einen solchen Anfall hatte.

Sie hatte ja schon recht. Ich hatte uns rausbekommen, wusste nur nicht so recht wohin genau. Alles war besser als Gefangenschaft, nur würden wir uns kaum lange halten wenn wir einfach hier liegen blieben. Und ich hatte ganz vergessen das wenige mitzunehmen, was ich auf der Flucht gefunden hatte – den Wasserbeutel und das schartige Messer. Leicht stöhnend rieb ich mir über die Augen, frustriert dass ich so etwas übersehen hatte. „Kommt drauf an...“ entgegnete ich. „Das war etwas neues und ich hab keinen Bedarf es zu wiederholen aber anscheinend sterb ich nicht dran. Oh und ich hab keine Ahnung wo wir überhaupt sind.“ In Sicherheit, soweit ich das geplant hatte. Weit weg von diesem furchtbaren Ort. Nur wo genau scheiterte schon daran dass ich nie eine Karte gesehen hatte. Bleiben konnten wir aber nicht, stand ich ungeachtet des noch vorhandenen Schwindels um, drehte mich und versuchte zu entscheiden welche Richtung die beste wäre.

"Riehst du das?", fragte ich plötzlich, etwas willkürlich in der Luft schnuppernd. Natürlich konnte ich nicht wissen, das meine Nase viel empfindlicher geworden war, genauso wie die Restlichen meiner Sinne, seit sich mein Aussehen verändert hatte. Es fühlte sich alles an wie vorher, nur eben etwas intensiver. "Das rieht nach Hühnereintopf...", schwärmte ich etwas, während mir bereits gefühlt der Speichel an den Mundwinkeln herunterlief. "In...die Richtung." Ich deutete entlang der Waldlinie auf einen Hügel zu. Er war einige Meter entfernt und man konnte nicht von hier aus sehen, was dahinter lag. Wackelig kam ich auf die Beine und stolperte mehr in die angesprochene Richtung. "Kommst du?" Mir war in dem Moment vermutlich nicht klar, wie sehr es danach aussah als würde ich halluzinieren, aber dieser Geruch in der Nase überzeugte mich so stark davon, das keine Zweifel zurückblieben.

Riechen tat ich ganz sicher nichts, blickte sie verwundert an. Auf der anderen Seite war eine Richtung so gut wie jede andere, also konnten wir genauso ihrem Instinkt folgen. Ich hielt sie nur auf weil Zazu nicht gerade aussah als würde sie es drei Schritte weit schaffen. „Immer langsam Krümel – setz dich.“ Ich ließ keinen Widerstand zu, drückte sie zurück auf den Boden. „Wir müssen erst das Feuer ausmachen, sonst haben wir als nächstes ein Feldfeuer hinter uns... und laufen tust du mir gleich gar nicht.“ Von meinen Klamotten konnte ich ihr nichts abgeben, hatte selber gerade so Hose und Hemd, beides schmutzig und am Rande zerfleddert. Irgendwie kämen wir schon klar. Zunächst aber löschte ich das Feuer, bedeckte die Glut mit Erde nachdem ich sie verteilt hatte. Und dann nahm ich sie wieder huckepack. „So – sag wenn die Richtung falsch wird.“ War nicht so das ich viel Kraft übrig hatte aber bis über den Hügel würde es schon reichen.